«Zürcher Spitäler wagen den Aufstand»: Diesen Titel setzte der lokale «Tages-Anzeiger» über einen Entscheid, der am Donnerstag bekannt wurde. Danach verzichten 35 Spitäler, Pflegezentren, Rehakliniken und Psychiatrie-Institute im Kanton Zürich künftig
auf die Einstellung von temporärem Pflegepersonal. Sie sträuben sich damit gegen ein Problem, das in seit der Corona-Krise virulent wurde: Das Pflegepersonal kündigt Festanstellungen – und lässt sich zu passenderen Konditionen via Temporärfirmen wieder neu einsetzen. Wobei die Vermittlerfirmen zusätzlich kosten.
Was ursprünglich ein Hilfsmittel war, nämlich Zeitarbeitskräfte zur Überbrückung einzelner Phasen, wurde zum Trend – und damit zu einer Last für die Spitäler.
Laut Berechnungen des Verbands Zürcher Krankenhäuser könnten rund 90 Millionen Franken eingespart werden, wenn die Betriebe im Kanton auf Temporäre verzichten würden. Da allerdings zur Kompensation mehr Festangestellte engagiert werden müssten, blieben am Ende bestenfalls 20 Millionen Franken übrig.
Swissstaffing: «Rechtlich überprüfen»
Der gemeinsame Entscheid der VZK-Mitglieder war ein vielbeachtetes Signal, das sofort für eifrige Debatten sorgte. «Der Versuch, das heutige temporäre Pflegepersonal so in eine Festanstellung zu "zwingen", kann letztlich nicht funktionieren», warnt Swissstaffing, der Verband der Personaldienstleister.
Und weiter: «Auf Temporärarbeit zu verzichten, würde den Fachkräftemangel weiter verschärfen und insbesondere im Fall situativer Personalengpässe auch das Wohl der Patientinnen und Patienten gefährden.» Schliesslich fragen sich die Personalfirmen auch, ob die gemeinsame «Blockade» des VZK unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten haltbar sei: «Swissstaffing wird diese Absprache rechtlich überprüfen.»
SBK: «Stellenpläne ausgereizt»
Kritisch äussert sich auch die Zürcher Sektion des Verbands SBK. Der Plan der Zürcher Spitäler berge «grosse Gefahren für die Pflegenden», schreibt die Organisation des Pflegepersonals in
einer ersten Stellungnahme. Sollten Betriebe es verbieten, Temporäre anzufordern, so werde die Arbeitsverdichtung für die Teams nicht abnehmen, sondern massiv steigen.
Nebenbei erinnert der SBK daran, dass alle Spitäler in der Coronazeit händeringend nach temporärer Verstärkung riefen: Die heutige Kehrtwende lasse sich da nur schwerlich begründen.
Ohnehin sei ein plötzlicher Anstellungsstopp für Temporäre unrealistisch. «Die Stellenpläne sind bekanntlich engstens berechnet und ausgereizt und kaum für Unvorhersehbares gewappnet. Für das Stammpersonal darf es nicht zu Überlastungen oder gar zu gefährlichen Pflegesituationen kommen, bloss weil die VZK-Spitäler versuchen wollen, sozusagen aus dem Stand heraus auf Temporäre zu verzichten.»
Eine Grundvoraussetzung dafür, dass Mitarbeitende nicht zu Temporärfirmen abwandern, wären flexiblere und bessere Anstellungsbedingungen, etwa via GAV: «Da bietet der VZK leider keine Brücke», kommentiert der SBK.
Andererseits sei nichts dagegen einzuwenden, wenn die Betriebe ihre Bedingungen so stark verbessern, dass sie Abgewanderte zurückgewinnen können. Und schliesslich bemerkt der Personal-Verband spitz, dass in der Mitteilung des VZK «überhaupt kein Wort von Wertschätzung gegenüber den Temporärangestellten» stehe: «Diese sollte man grundsätzlich nicht schlechtreden. Auch sie tragen zum Erhalt der Versorgung bei!»
Der Paukenschlag aus Zürich führte auch auf
unserem LinkedIn-Kanal zu eifrigen Debatten – und hier war das Verständnis für den Stopp der Zürcher Spitäler grösser. Kritisiert wird dabei allerdings kaum das Temporär-Pflegepersonal, sondern eher gewisse Anbieter. Einige Kommentare:
▶️ «Leider gibt es inzwischen viele unseriöse Anbieter, die unqualifiziertes Personal in die Institutionen planen – ohne Rücksicht auf die Konsequenzen» (Ein ehemaliger Stationsleiter).
▶️ «Grundsätzlich halte ich den Ansatz für sinnvoll und realistisch – allerdings nur, wenn man die Ursachen angeht, warum Pflegende überhaupt temporär arbeiten. Dabei geht es nicht einmal primär um den Lohn, sondern um folgende Kernpunkte:
- Das vertraglich festgelegte Arbeitspensum wird eingehalten.
- Jede Schicht ist personell ausreichend besetzt, sodass im Krankheitsfall niemand aus dem Frei geholt werden muss.
- Kurzfristiges Einspringen im absoluten Notfall wird mit entsprechenden Zulagen vergütet.
- Pflegende haben ein Mitspracherecht bei ihren Schichten und Arbeitszeiten.
- Interne Springerpools können ebenfalls eine positive Entlastung im Betrieb sein und flexible Arbeitnehmer ansprechen.» (FaGe)
▶️ «Temporäre Pflegefachkräfte haben längst Alternativen, die oft attraktiver sind als eine Rückkehr in ein starres System:
- Wechsel in andere Branchen wie Industrie, Versicherungen oder alternative Gesundheitsbereiche.
- Sabbatical oder Auszeit
- Rückkehr ins Ausland, sei es für ein paar Monate oder dauerhaft
- Einfach weniger arbeiten
- usw.
Wer temporäre Arbeitsmodelle einfach streicht, ohne attraktivere Rahmenbedingungen zu schaffen, riskiert noch mehr Abwanderung aus der Pflege.» (Vertreter einer Personalfirma)
▶️ «Temporärstellen? Nein, danke! Seit Jahren besetze ich offene Stellen in der Pflege nicht mit temporärem Personal. Warum? Weil es bessere Wege gibt – für Pflegequalität, Teamgefühl und Fairness. Temporärkräfte sind teuer, oft nicht eingearbeitet und fördern den Pflegenotstand, da feste Stellen unattraktiver erscheinen. Warum langfristig binden, wenn kurzfristige Einsätze mehr bringen?
Ein weiteres Problem: Arbeitsbedingungen. Wer plant gern Urlaub im Team, wenn andere flexibel kommen und gehen? Wer akzeptiert eine feste Lohnstufe, wenn andere für weniger Leistung mehr verdienen?» (Bereichsleiterin Pflege).