Anfang Mai
wurde bekannt, dass die beiden Chefärzte Stefan Birrer und Daniel Giachino das Tiefenauspital verlassen und zur Lindenhofgruppe wechseln. Der Abgang der beiden Chirurgen gehörte zu einer ganzen Welle: Im Zuge der Zusammenlegung von Inselspital und Tiefenau entschlossen sich Dutzende Ärzte zur Kündigung.
Nun nehmen Birrer und Giachino in ausführlichen Interviews mit
«Bund» und
«Berner Zeitung» Stellung zu den entscheidenden Fragen. «Wir haben ausdrücklich nicht aus Protest gekündigt», betont Stefan Birrer dabei.
Der Weggang sei das Resultat einer mehrmonatigen Diskussion mit den für den Fusionsprozess Verantwortlichen gewesen. Am Ende seien die Ärzte zum Schluss gekommen, «dass wir für unsere Patienten, unsere Zuweiser und uns Alternativen suchen müssen.»
Vorschläge waren nicht willkommen
Grundsätzlich habe man keine Probleme damit gehabt, die Arbeitsverteilung zwischen Tiefenau- und Inselspital neu zu regeln. «Im Gegenteil», sagt Birrer: «Wir hatten ausdrücklich signalisiert, das Projekt zur Stärkung des Medizinalstandortes mitzutragen und mit der Insel zusammenzuarbeiten.»
Allerdings hätten die Ärzte dann den Eindruck bekommen, dass ihre Vorschläge nicht willkommen waren. Und dass alles, worauf sie spezialisiert waren, an das Inselspital überführt werden sollte.
«Wir hatten mehr Patienten als die Insel»
Als Beispiele genannt werden Operationen am Dickdarm und die Adipositas-Chirurgie. Solche Eingriffe werden im Tiefenauspital seit Jahren intensiv durchgeführt, sie liessen sich dort auch günstiger abrechnen. «In diesen beiden Bereichen waren wir führend und hatten mehr Patienten als die Insel», so Chirurg Birrer.
Die beiden Kaderärzte dementieren andererseits explizit, dass sie sich vom Lindenhofspital abwerben liessen. Sie seien von sich aus auf den neuen Arbeitgeber zugegangen. Auch sei es nicht darum gegangen, die Einkünfte zu optimieren – es gab, so Birrer, «niemals finanzielle Beweggründe für den Wechsel.» Und Daniel Giachino erinnert: «Wir mussten gar Geld aufnehmen, um unsere Praxis einzurichten und eine Sekretärin anzustellen.»
«Man findet keine guten Leute mehr»
Auch persönliche Reibereien zwischen Ärzten – Insel hier, Tiefenau da – seien kein Faktor gewesen. Doch wenn man alles, was man über 20 Jahre aufgebaut hat, weggeben müsse und keine Alternative aufgezeigt erhalte, dann, so Birrer, «fragen Sie sich, ob Sie noch willkommen sind.»
Daniel Giachino erwähnt zudem, dass die Spitalverantwortlichen die Dienst-Aktivitäten der Chirurgie im Tiefenau reduzieren wollten. Damit wären auch Notfall-Operationen gesenkt worden. Und solche Einschränkungen wiederum würden die Attraktivität des Arbeitsplatzes schmälern: «Man findet keine guten Leute mehr, wenn an einem Spital keine anspruchsvollen Eingriffe gemacht werden. So wurde es für uns schwierig, konkrete Visionen zu entwickeln.»
Teamarbeit bei ungleicher Machtverteilung?
Im Gespräch in den beiden Berner Zeitungen deutet sich insgesamt an, dass der Prozess der Zusammenführung von Insel und Tiefenau nicht optimal angelegt war. Der Lead lag beim Inselspital – eine ausgeglichene Teamarbeit war schwierig.
«Jedenfalls hätte man die Erarbeitung des Konzepts komplett von Machtfragen entkoppeln müssen», sagt Stefan Birrer einmal: «Der Fusionsprozess hätte aus unserer Sicht von unbefangenen Aussenstehenden durchgeführt werden müssen.»