In Spitälern in der Schweiz, in ganz Europa und auch weltweit ist die Zahl der Patientinnen und Patienten mit Myokardinfarkt seit Beginn der Coronavirus-Epidemie zurückgegangen. Beispielsweise um 70 Prozent in der Lombardei in Italien oder um 40 Prozent in Spanien, wie Zahlen der amerikanischen Cardiovascular Research Foundation (CRF) zeigen.
Auch am Unispital Lausanne (CHUV) ist die Anzahl der Herzinfarkte um ein Drittel gesunken, wie Kardiologie-Chefarzt Olivier Muller der Zeitung «24 heures» sagt. Das CHUV ist das einzige Spital im Kanton Waadt, das sich um Myokardinfarkte kümmert - mit oder ohne Pandemie.
Herz funktionierte fast nicht mehr
In den letzten drei Wochen hat das Unispital Lausanne im Vergleich zu den letzten vier Jahren einen Anstieg der «zu spät gekommenen Patienten» verzeichnet. Die Zahl der Menschen, deren Herz bereits fast nicht mehr funktionierte, habe sich vervierfacht, sagt der Chefarzt.
Muller befürchtet deshalb nachträglich eine übermässige Sterblichkeit aufgrund von Myokardinfarkten. Dies scheinen die Kurven aus Italien in Bergamo bereits anzuzeigen, wie er der Zeitung erklärt. Auch in der Schweiz deuten erste offizielle statistische Daten auf eine Tendenz zur sogenannten «Übersterblichkeit» hin.
Ähnliche Zahlen bei Schlaganfällen
Der Kardiologe glaubt nicht daran, dass weniger Stress, weniger Stau oder gar weniger Umweltverschmutzung bereits solche positive Auswirkungen auf das Herz haben. Herzinfarkte gebe es weiterhin. Und Symptome bei Coronavirus-Erkrankten und Herz-Patienten können ähnlich sein: etwa Atemnot und Schmerzen im Brustkorb. Es sei schwierig zu unterscheiden, ob man am Coronavirus oder an einem Myokardinfarkt leidet.
Ähnliche Beobachtungen machen derzeit auch die grossen Schweizer Spitäler für Schlaganfälle. Bei den sieben der zehn wichtigsten Zentren beträgt der durchschnittliche Rückgang seit den Lock-Down-Massnahmen 21.4 Prozent. Mehrere Spitäler, Ärzte und Fachgesellschaften haben deswegen die Bevölkerung dazu aufgerufen, auch in Corona-Zeiten Symptome ernst zu nehmen und unverzüglich ins Spital oder zum Arzt zu fahren.