Streit um die Chefarztlöhne-Studie entbrannt

Chefärzte verdienen deutlich weniger als in der «Klingler-Studie» behauptet. Dies sagt jetzt die Akademie Menschen Medizin (Amm) – und liefert eigene Daten. Der Verfasser der Studie steht aber weiterhin zu den Zahlen.

, 11. Oktober 2018 um 06:53
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Im Frühling sorgte eine Analyse der Beratungsfirma Klingler Consultants branchenübergreifend für Aufsehen. Eines der Resultate war: Der Grossteil der Chef- und Belegärzte in der Schweiz verdient zwischen 350’000 und 1,5 Millionen Franken pro Jahr. Jeder vierte Chef- oder Belegarzt aus den untersuchten Spitälern verdiene zudem mehr als 1,5 Millionen. «Es geht hier bis 2,5 Millionen», sagte Urs Klingler im Februar. 
Basis der Erhebung waren Zahlen von über 170 Spitälern, erhoben vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) – öffentlich zugänglich. Eine Umfrage der Akademie Menschen Medizin (Amm) kommt nun zum Schluss: «Die von Klingler Consultants kommunizierten Daten sind massiv übertrieben». Die Organisation hat nun ihre eigene Umfrage bei den Spitälern durchgeführt. Das Fazit: Kein Kaderarzt aus der Amm-Umfrage verdiene über eine Million Franken pro Jahr. Von rund 450 auswertbaren Angaben liegen:
  • 48,3 Prozent (218 Ärzte) der Einkommen unter 350‘000 Franken
  • 44,7 Prozent (202 Ärzte) zwischen 351‘000 und 550‘000 Franken
  • 5 Prozent (23 Ärzte) zwischen 551‘000 und 750‘000
  • 1,7 Prozent (8 Ärzte) zwischen 751‘000 und einer Million Franken.

Amm-Erhebung weist Lücken auf

Lediglich am Unispital Zürich (USZ) und am Unispital Basel (USB) verdienen insgesamt acht Ärzte über eine Million Franken jährlich, schreibt die Amm weiter. Die Löhne aller anderen Chef- und Kaderärzte lägen mehrheitlich weit unter 550‘000 Franken. Die Behauptungen von Klingler Consultants bezeichnet die Organisation als «rufschädigend für eine ganze Gruppe oft hochengagierter Personen». Die Akademie Menschenmedizin könne auf der Basis der BAG-Zahlen die Folgerungen von Klingler Consultants nicht nachvollziehen.
Urs Klingler von Klingler Consultants steht auf Anfrage weiter zu den Zahlen vom BAG aus dem Jahr 2015. Die meisten grossen Spitäler haben die Zahlen bei inoffiziellen Gesprächen bestätigt, wie er gegenüber Medinside sagt. Klingler ist Berater und Studiengangsleiter für Compensation und Benefits Management an der School of Management Fribourg in Zürich. In den von der Amm erhobenen Zahlen fehlen ihm zufolge zudem Belegärzte und Einkommen aus verschiedenen Quellen. Der Gesundheitsökonom Heinz Locher stützte im Frühling Klinglers Erhebung. «Für mich ist das, was Klingler rechnet, sehr plausibel», sagte er.

Amm schlägt ein Fixlohnsystem vor

Obwohl die Organisation Amm die Zahlen von Klingler anzweifelt, gebe es Handlungsbedarf: «Die immer noch gewährten mengenabhängigen Boni inkl. Privatpatienten-Honorare gehören abgeschafft», steht in der Mitteilung weiter. Die Organisation schlägt deshalb ein Fixlohnsystem für Chef- und Kaderärzte vor. Dies funktioniere seit Jahrzehnten an der Mayo Clinic in den USA und mittlerweile auch an den Spitälern Bülach oder am Kantonsspital Luzern. Das Konzept Fixlöhne erachtet Vergütungsexperte Urs Klingler in der Praxis allerdings als nicht realisierbar. 
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