Besser ein schönes «Patientenhotel»

Riesige Patientenzimmer mit Ledersofa und Flachbildschirm sind für Brida von Castelberg unnötig teurer Luxus. Die ehemalige Triemli-Chefärztin fände «Patientenhotels» besser und günstiger.

, 21. August 2019 um 04:38
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Immer mehr öffentliche Spitäler bieten Patientenzimmer mit allen Schikanen aus der Luxushotellerie an. Bleibt die Nachfrage aus, müssten die Steuerzahler die teure Ausstattung zahlen, warnt der Gesundheitsökonom Willy Oggier in einem Interview mit Medinside.
Auch Brida von Castelberg findet den überbordenden Luxus in den Spitälern grotesk. Die Fachärztin für Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe war bis 2012 Chefärztin der Frauenklinik Triemli. Seit drei Jahren ist sie Vizepräsidentin der Stiftung Patientenschutz.
Im Interview erklärt sie den Unterschied zwischen «schön» und «luxuriös». Und sie schlägt vor, den Patienten ein medizinisch betreutes Hotel neben dem Spital zu bieten, statt immer teurer ausgestatteten Spitalzimmern.
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Patientenhotels neben den Spitälern: Das ist für Brida von Castelberg die bessere und günstigere Möglichkeit, Patienten zu umsorgen. | Bild: Castelberg
Frau Castelberg, was ist falsch daran, wenn Spitäler ihren Patienten möglichst schöne Zimmer anbieten?
Möglichst schöne Zimmer und Luxuszimmer sind nicht dasselbe. Gegen schöne Zimmer ist nichts einzuwenden. Aber gegen Luxus. Denn Spitalbauten werden durch die Einnahmen aus dem Spitalbetrieb und von den Steuerzahlern finanziert. Damit ist kein Luxus möglich.
Was heisst für Sie schön und was ist Luxus?
Schön heisst für mich zum Beispiel: Eine schöne Aussicht zu haben und etwas Raum für Besucher. Luxus ist hingegen ein Ledersofa, ein Flachbildschirm, teure Materialien oder riesige Zimmer. Riesige Zimmer machen auch dem Pflegepersonal mehr Arbeit, weil es mehr Weg machen muss. Auch die Putz-Equipe hat mehr Arbeit mit solchen Zimmern.
Untersuchungen zeigen, dass sich Patienten, die sich wohl fühlen, schneller erholen. Das würde heissen, dass Spitäler schon mehr in die Patientenzimmer investieren sollten.
Wohlfühlen hängt primär von der guten Behandlung und Betreuung ab. Fühlt man sich ernst genommen, wird man freundlich behandelt. Die edlen Hölzer der Wände spielen eine da eine sekundäre Rolle.
Die Spitäler weisen auch immer auf den Wettbewerb und die Nachfrage hin: Patienten wählen das Spital, das ihnen den besten Eindruck macht. Schöne Zimmer verstärken sicher den guten Eindruck. Oder nicht?
Informierte Patienten wählen das Spital nach den Ärzten und den Pflegenden aus. Sie freuen sich aber sicher, wenn das Spital auch noch schön ist.
Wie sähe ein neues oder ein renoviertes Spital nach Ihren Vorstellungen aus? Hätte es dort spartanisch eingerichtete Viererzimmer?
Viererzimmer sind sicher nicht mehr opportun. Allerdings gibt es Menschen, die sich allein im Zimmer einsam oder unsicher fühlen. Wenn Patienten Angst haben oder verunsichert sind, klingeln sie häufiger. Das belastet das Pflegepersonal mehr. Eine zweite Person im Zimmer kann sehr anregend sein. Es gibt aber eine Ausnahme: Wenn man schwer krank oder sterbenskrank ist, braucht man die Ruhe des Einzelzimmers und will nötigenfalls rund um die Uhr Besuch empfangen. Ich finde deshalb Zweibettzimmer, welche die Möglichkeit bieten, die Intimsphäre zu wahren, eine gute Lösung. Und zur Einrichtung: Sie ist am besten zweckmässig und in freundlichen Farben gehalten.
Was halten Sie von Starköchen, die in Spitalküchen fürs Menü verantwortlich sind, oder von einer edlen Weinauswahl für die Patienten? Ein Marketing-Gag? Hinausgeschmissenes Geld? Oder wirklich gesundheitsfördernd?
Die meisten Menschen bleiben heutzutage ja nur sehr kurz im Spital. Da ist ein gutes Essen erfreulich, aber nicht unbedingt notwendig. Die meisten Menschen essen zu Hause ja auch nicht mit Gault-Millau-Punkten. Bei Langzeitaufenthalten im Spital oder in einer Rehabilitations-Klinik scheint mir aber eine gute Küche wichtig. Denn die Tage können lang und langweilig werden und wenig Freude bieten.
Sie haben schon unkonventionelle Ideen für Einsparungen im Gesundheitswesen vorgeschlagen. Was schwebt Ihnen konkret vor?
Eine Idee wären Patientenhotels, ein «Hotelbetrieb» neben dem Spital. Dort könnten die minimal nötigen Behandlungen durchgeführt werden, wie Wundkontrollen, Verbände oder Injektionen. Der eigentliche Spitalaufenthalt wäre dadurch kürzer und das Spital würde gut verdienen. Die Kassen hätten ein Interesse diesen «Hotelaufenthalt» zu bezahlen, weil er zwar etwas teurer als eine Spitex, aber billiger als ein längerer Spitalaufenthalt wäre.
Gibt es weitere Alternativen zu teuren Luxuszimmern in Spitälern?
Ja, eine gute Nachbehandlung. Frauen können bereits jetzt nach einer Geburt früher entlassen werden und dann durch eine Hebamme zuhause betreut werden. Dasselbe könnte man auch nach Operationen anbieten. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass eine Pflegefachperson auch gleich erkennt, wenn eine Patientin oder Patient zu Hause Schwierigkeiten hat.
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