Spina Bifida: Wer bezahlt?

Wer zahlt die pränatale Operation bei einem Offenen Rücken? Die Antwort des Bundesrats: die Krankenkasse. Das ist neu.

, 20. Mai 2018 um 19:11
image
  • politik
  • forschung
  • versicherer
Spina Bifida tritt glücklicherweise selten auf. Etwa zehn Kinder sind jährlich davon betroffen. Und doch ist der offene Rücken nach dem Herzfehler das zweithäufigste Geburtsgebrechen. Die fötale Chirurgie ermöglicht eine Verbesserung der Lebensqualität für die Betroffenen. Doch wer bezahlt diesen komplizierten Eingriff? Die IV, die Krankenkasse oder weder noch?
Das wollte der Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl vom Bundesrat wissen. Er reichte dazu anfangs März eine Interpellation ein und stellte dem Bundesrat unter anderem folgende Fragen:
  • Bestehen bereits Bestrebungen im Gesetzgebungsprozess, damit die pränatale/fötale Operation gleich behandelt beziehungsweise finanziert wird, wie die postoperative Operation?
  • Falls ja, ist beabsichtigt, die Finanzierung via Änderung des Invalidenversicherungsgesetzes oder des Krankenversicherungsgesetzes vorzunehmen?

Bundesrat: «eine Pflichtleistung»

Die Antwort des Bundesrats kam schnell. In der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) sei die pränatale Operation der Spina Bifida nicht geregelt, schreibt der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation Luginbühl. Dennoch erfolgte für diese Operation «grundsätzlich eine Kostenübernahme durch die Krankenversicherung.» Dabei gehe die Kostenübernahme aufgrund bundesrechtlicher Rechtssprechnung zu Lasten der Versicherung der Mutter. Daher sehe der Bundesrat keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.
Sehen das auch die Krankenversicherer so? Die CSS will sich nicht auf dem Fenster lehnen und erklärt auf Anfrage, man sei noch nie mit einem solchen Fall konfrontiert worden. Ähnlich die Auskunft der Swica Krankenkasse. 

Helsana: «keine Pflichtleistung»

Demgegenüber erklärt die Helsana: «Die pränatale OP im Falle des Geburtsgebrechens Spina Bifida ist keine Pflichtleistung nach KVG. Folglich findet im Falle eines Kostengutsprachegesuchs immer eine Einzelfallbeurteilung statt.» Eine kurze Recherche habe aber ergeben, dass bei Helsana in den letzten vier Jahren keine Gesuche für eine Kostengutsprache eingegangen seien. Bekannt seien aber zwei Fälle aus den Jahren 2012 und 2013: In beiden Fällen habe Helsana die Kostengutsprache gutgeheissen.

Die IV ist erst nach der Geburt zuständig

Demgegenüber hält der Bundesrat fest, dass die Invalidenversicherung die Leistungen nicht übernehmen könne, weil sie aufgrund des Manfestationsprinzips erst nach der Geburt zuständig sei.
Werner Luginbühl gibt sich mit der Antwort des Bundesrats nur teilweise zufrieden. Dies mit der klaren Erwartungshaltung, dass das BAG nun die Krankenversicherer konsequent anweist, diese Kosten ohne wenn und aber zu übernehmen. Ansonsten werde er eine Motion zur Änderung des IV-Gesetzes einreichen.
Schliesslich würde eine postnatale Operation auch von der IV bezahlt, weil es sich offiziell um ein Geburtsgebrechen handelt. Die pränatale Operation unterscheide sich ja von der postnatalen Operation nur durch den Zeitpunkt. 

Pränatal statt postnatal

BDP-Ständerat Werner Luginbühl stützt sich in seiner Interpellation auf Aussagen von Professor Martin Meuli. Der Direktor der Chirurgischen Klinik Zürich sagt, die pränatale Operation müsste zum Standard werden. Und dies, weil die Schädigung bei Offenem Rücken vor allem durch die mechanische Reibung im Mutterleib und durch die toxische Wirkung des Fruchtwassers hervorgerufen werde. Mit dem pränatalen Eingriff reduziere sich der Wahrscheinlichkeit für einen Wasserkopf von 90 auf 50 Prozent. 
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Zug verliert seinen beliebten Gesundheitsdirektor an Bern

Gesundheitsdirektoren haben in den Kantonen oft einen schweren Stand. Nicht so der Zuger Martin Pfister. Doch nun geht er in den Bundesrat.

image

Leberkrebs: Ein weiterer Schritt zur vollständigen Remission?

Eine internationale Studie unter Genfer Leitung zeigt, dass ein genaues Intervall zwischen Immuntherapie und Lebertransplantation die Chancen auf eine vollständige Remission des hepatozellulären Karzinoms maximieren könnte.

image

Zigarettenab­fälle verbreiten resistente Keime

Wenn Zigarettenfilter in Gewässern landen, können sich darauf krankheitserregende Keime und Bakterien mit Antibiotikaresistenzen ansiedeln, zeigt eine Studie.

image

Koordinierte Versorgung: Netzwerke sind vom Tisch

Der Ständerat beriet über das Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Er plädierte nun ebenfalls für Mengenrabatte bei umsatzstarken Medikamenten.

image

Spital Zofingen: Bundesrat findet Verkauf unproblematisch

SP-Nationalrat Cédric Wermuth warnte vor einer schleichenden Privatisierung der Grundversorgung – der Bundesrat sieht in der Übernahme des Spitals Zofingen durch SMN kein Problem.

image

BAG muss elf Millionen Franken sparen und 20 Stellen streichen

Das Bundesamt kürzt bei der Kinderarzneimittel-Datenbank, bei der Prävention und beim Strahlenschutz.

Vom gleichen Autor

image

Palliative Care: «Wir brauchen nicht mehr Betten in Spitälern, aber in Hospizen»

Renate Gurtner Vontobel, die ehemalige Geschäftsführerin von Palliative.ch, blickt auf ihre fünfeinhalbjährige Amtszeit zurück.

image

«Kritiker der Komplementärmedizin haben eine zu einseitige Sicht»

SP-Ständerätin Franziska Roth kritisiert im Interview die Haltung von Gegnern der Komplementärmedizin. Sie verkennen den Wert der ärztlichen Expertise.

image

Physiotherapie: Die Stolpersteine im Tarifstreit

Wie weiter im Tarifstreit in der Physiobranche? Die Frage ist: Welcher Streit – jener über die Tarifstruktur oder jener über den Preis?