Pharmafirmen geht es bald wie der Tabakindustrie

Erstmals hat ein amerikanisches Gericht eine Pharmafirma verurteilt, weil sie Schmerzmittel anbietet, die süchtig machen. Das erinnert an Urteile gegen die Tabakindustrie.

, 28. August 2019 um 14:56
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Irreführende Werbung für süchtig machende Schmerzmittel: Das wirft ein Gericht in Oklahoma der Pharmafirma Johnson & Johnson und deren Pharma-Sparte Janssen vor. Das Unternehmen habe bei der Vermarktung der Medikamente die Suchtrisiken verschleiert und aus Profitgier gehandelt.
Johnson & Johnson muss umgerechnet rund 570 Millionen Franken zahlen. Die Begründung des Gerichts für die happige Busse: Die Firma habe mit der Werbung für ihre Schmerzmittel die Gesundheit und Sicherheit tausender Einwohner von Oklahoma beeinträchtigt.

Todesfälle und Entzugssymptome bei Neugeborenen

Die opioidhaltigen Schmerzmittel hätten dazu beigetragen, dass viele Menschen von den Mitteln abhängig geworden, an Überdosen gestorben seien und die Zahl der Neugeborenen mit Entzugssymptomen zugenommen habe. Die Entschädigung, welche Johnson & Johnson zahlen muss, soll für Anti-Sucht-Programme in Oklahoma verwendet werden.
Damit ergeht es den Pharmafirmen ähnlich wie der Tabakindustrie: Seit Jahrzehnten werden Haftungs- und Strafprozesse gegen die Tabakindustrie geführt. Raucher oder deren Angehörige führen Schadenersatzklagen – mit unterschiedlichem Erfolg.

Der Tabakindustrie wird auch Irreführung vorgeworfen

Auch der Tabakindustrie wurde und wird vorgeworfen, dass sie bewusst Zweifel über die Gesundheitsschädlichkeit ihrer Produkte streue und damit Präventionskampagnen und Entschädigungszahlungen verhindere.
Die Kläger argumentieren meistens damit, dass die Zigarettenhersteller nicht ausreichend über die Gesundheitsgefahren des Rauchens informieren würden. Seit aber Warnhinweise auf Zigarettenpackungen vorgeschrieben sind, ist diese Begründung nicht mehr stichhaltig.

Informationen auf den Zigarettenpackungen reichen aus

Es gibt Gerichtsurteile, die festhalten, dass die Informationslage mittlerweile ausreichend sei. Deshalb könne jede urteilsfähige Person über ihre Handlungen frei entscheiden und müsse die rechtliche Verantwortung für ihr Tun selbst übernehmen.
Auch Johnson & Johnson will das Urteil nicht akzeptieren. Das Unternehmen sei nicht dafür verantwortlich, dass immer mehr Menschen von Schmerzmitteln abhängig werden, argumentiert die Firma.

In der Schweiz ebenfalls erhältlich

In den USA sind noch etliche weitere Klagen gegen die Hersteller von opioidhaltigen Schmerzmitteln hängig. Opioidhaltige Schmerzmittel sind auch in der Schweiz erhältlich: Etwa unter den Namen Targin, Epethinan und Oxycodon-Naloxon.
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