Neuer Ärzte-Kodex schreibt vor, was eigentlich selbstverständlich sein sollte

Neue Richtlinien des Verbands FMCH zeigen, wie haarsträubend sich «schwarze Schafe» unter den Ärzten offenbar verhalten: Sonst müsste ihnen nicht vorgeschrieben werden, dass sie nicht betrügen und über andere schimpfen dürfen.

, 13. November 2019 um 11:09
image
  • ärzte
  • fmch
  • trends
Ärzte müssen Patienten, die sie operieren, zuerst untersuchen - könnte man meinen. Doch was medizinische Laien völlig normal finden, ist offenbar nicht bei allen Ärzten gängige Praxis. Anders lässt sich nicht erklären, warum der Ärzte-Dachverband FMCH in seinem neuen Verhaltens-Kodex ausdrücklich festlegen muss, dass Ärzte nicht allein aufgrund eines E-Mails oder eines Telefons zum Skalpell greifen dürfen.

Telefongespräch reicht nicht für Operation

So ruft der Verband seinen Mitgliedern in den neuen Richtlinien unter dem Punkt «Grundsätze der ärztlichen Tätigkeit» in Erinnerung:
  • Sie unterlassen operative und invasive Behandlungen, die sich ausschliesslich auf schriftlich, telefonisch oder elektronisch übermittelte Schilderungen von Beschwerden stützen.
Die FMCH ist der Dachverband von 23 Fachgesellschaften und Berufsverbänden. In den Fachgesellschaften sind hauptsächlich operativ und invasiv tätige Ärztinnen und Ärzte zusammengeschlossen, darunter Chirurgen, Orthopäden, Herzchirurgen, Augenärzte, Urologen und Gynäkologen.

FMCH will den Ruf der Ärzte wiederherstellen

Die neuen Richtlinien hat die Vereinigung erstellt, weil sie nicht bereit sei, berufliches Fehlverhalten einzelner chirurgisch oder invasiv tätiger Ärzte zu tolerieren, erklärt die FMCH, und wird noch deutlicher: «Schwarze Schafe, die dagegen verstossen – etwa mit überhöhten Honorarforderungen – schädigen den Ruf und das Ansehen der gesamten Ärzteschaft. Sie untergraben damit auch das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Arzt.»
Mit dem Verhaltenskodex will die FMCH die Normen der ärztlichen Tätigkeit «in Erinnerung rufen bzw. klarstellen». Liest man dann im Kodex, was einige Ärzte offenbar nicht oder nicht mehr wissen, zeigt sich, was für Praktiken einzelne Ärzte – eben die «schwarzen Schafe» – offenbar anwenden.

Lügen im OP-Bericht sind verboten

Einige weitere Beispiele aus den Richtlinien:
  • Sie unterlassen fachfremde Behandlungen sowie Therapien ohne ausreichende Erfahrung.
  • Sie vermerken in Berichten, insbesondere OP-Berichten, wahrheitsgetreu, wer und in welcher Funktion (Operateur, Assistent, Instruktor, Gast) bei der Behandlung beteiligt gewesen ist.

Ärzte dürfen in Anwesenheit von Patienten nicht lästern

Offenbar ist auch der Umgangston unter Ärzten oft unzimperlich. So schreibt der Kodex vor, dass sich die Ärzte zumindest in der Nähe von Patienten anständig benehmen müssen:
  • Sie enthalten sich jeglicher abwertenden Kommentare über andere Ärztinnen, Ärzte und Leistungserbringer in Hörweite der Patientinnen und Patienten.

Keine falschen oder erfundene Titel

Dass einige Ärzte offenbar prahlen oder sogar betrügen, wenn es ums Anpreisen der eigenen Verdienste geht, zeigt die folgende Richtlinie:
  • Sie verwenden in öffentlichen Auftritten und im Schriftverkehr nur die anerkannten Facharzt-Titel und Fähigkeitsausweise und verzichten auf Phantasie-Bezeichnungen.

Keine Kickbacks für die Zuweisung von Patienten

Auch beim Geldverdienen muss die FMCH dem Anstand einiger Ärzte nachhelfen und sie offensichtlich daran erinnern, dass sie niemanden bestechen dürfen und sich auch nicht bestechen lassen dürfen:
  • Sie nehmen keine Geldleistungen oder geldwertige Zuwendungen für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten entgegen – weder von anderen Ärztinnen und Ärzten, noch von anderen Leistungserbringern (Spitäler, Institute) und Kostenträgern.
  • Sie zahlen selber keine Entschädigungen oder leisten keine andere geldwertige Kickbacks an Zuweisende.
Damit der Verhaltenskodex nicht toter Buchstabe bleibt, hat die FMCH eine Anleitung im Umgang mit den «schwarzen Schafen» erlassen. Die Fachgesellschaften und die FMCH sind zwar Vereine mit beschränkten Sanktionsmöglichkeiten. Der FMCH empfiehlt jedoch seinen Mitgliedern, dass sie bei Verstössen den betreffenden Arzt oder die betreffende Ärztin zuerst verwarnen und bei wiederholten Verletzungen aus der Gesellschaft ausschliessen.
Entstanden ist der Kodex, weil sich etliche Fachgesellschaften an die FMCH gewendet haben mit der Bitte, sich gegen die fehlverhaltenden Ärzte zur Wehr zu setzen, sagt FMCH-Präsident Josef E. Brandenberg auf Anfrage von Medinside.
Die Zahl der schwarzen Schafe sei allerdings gering, betont Brandenberg. Gemäss jüngster Statistik hätten 0,5% der gesamten Ärzteschaft Honorare zurückbezahlen müssen. Und nur ein Teil davon sei operativ und invasiv tätig.
Brandenberg bestätigt, dass der Verhaltenskodex erstellt wurde aufgrund von tatsächlichen Vorkommnissen, welche Patienten, Ärzte und Versicherungen der FMCH gemeldet haben.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Spitäler halbieren Verlust – aber zwei Drittel bleiben im Minus

2024 reduzierten die Schweizer Spitäler ihren Verlust – nach 777 Millionen Franken im Vorjahr waren es nun 347 Millionen. Aber immer noch schreiben fast zwei Drittel der öffentlichen Kliniken rote Zahlen. Die Zahl der Ärzte stieg stärker als jene des Pflegepersonals.

image

Was unsere Fingernägel über unsere Ernährung verraten

Eine Studie der Hochschule Fulda zeigt erstmals im Detail, wie zuverlässig Mineralstoffmuster in Nägeln den Ernährungsstil abbilden können.

image

Hospital-at-Home kommt ans linke Zürichseeufer

Ab sofort können Patienten am linken Zürichseeufer über das See-Spital Horgen, die Hospital at Home AG und die Spitex Horgen-Oberrieden zu Hause statt im Spital behandelt werden.

image

Diese 29 Erfindungen machen die Medizin smarter

Das US-Magazin «Time» kürte die wichtigsten Innovationen des Jahres aus dem Gesundheitswesen. Die Auswahl zeigt: Fortschritt in der Medizin bedeutet heute vor allem neue Schnittstellen zwischen Mensch, Maschine und Methode.

image

KSGR: Frauenklinik führt 4-Tage-Woche ein

Die Frauenklinik Fontana des Kantonsspitals Graubünden führt eine 4-Tage-Woche ein: 42 Stunden werden auf vier Tage verteilt, das Gehalt bleibt unverändert. Andere Spitäler sehen das Modell skeptisch.

image

Pharmagelder 2024: Zuwendungen an Schweizer Ärzte steigen leicht

2024 erhielten Ärzte, Spitäler und Fachgesellschaften zusammen 262 Millionen Franken – 16 Millionen mehr als im Jahr davor.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.