Thomas Busse, Professor für Management von Pflege- und Gesundheitseinrichtungen.
In den meisten Spitälern in der Schweiz war die finanzielle Situation bereits vor Corona angespannt. Nun schnürt die Krise das finanzielle Korsett der Spitäler noch enger. Und zwar so lange, bis klar ist, wer die Mehrkosten und die Ertragsausfälle zu tragen hat. Doch trotz finanzieller Unterstützung kann kaum eines der Spitäler aktuell sagen, ob, und wenn ja wie, es die Corona-Krise überstehen wird.
Auch ein Blick in unser Nachbarland Deutschland zeigt: Vor Corona sind bereits ein Drittel der Spitäler in wirtschaftlich schwerem Gewässer gefahren. Es ist nun davon auszugehen, dass diese Zahl zukünftig deutlich weiter steigen wird, wie Thomas Busse sagt, Professor für Pflegemanagement sowie Leiter des Zentrums für Gesundheitswirtschaft und -recht an der Frankfurt University of Applied Sciences.
Viele Spitäler in wirtschaftlicher Schieflage
Als fast unausweichliche Konsequenz dieser Situation sieht der Gesundheitsökonom, «die Gefahr, dass viele gerade grössere Spitäler in private Trägerschaft überführt werden - und eine Privatisierungswelle den Spitalmarkt weiter verändern wird.» Insbesondere kommunale Spitäler seien in diesem Zusammenhang «übernahmegefährdet», da «Gemeinden ohnehin schon finanziell angeschlagen sind und nach der Corona-Krise definitiv noch weniger Gelder zur Verfügung haben werden, um diese in ihre Spitäler zu investieren», prognostiziert Busse.
Thomas Busse kann sich aktuell die Gefahr der zunehmenden Privatisierung von Spitälern auch in der Schweiz vorstellen, wie er gegenüber Medinside erklärt. Denn auch in der Schweiz sei es so, dass viele Spitäler bereits vor der Corona-Krise in eine wirtschaftliche Schieflage geraten seien, gerade kantonale Spitäler. Diese müssten stark subventioniert beziehungsweise quersubventioniert werden. Das jüngste Beispiel in der Schweiz dafür ist die zusätzliche 60 Millionen Franken-Kreditgarantie für das erst im vergangenen Herbst eröffnete Spital Riviera-Chablais (HRC).
«Jede Trägerform kann von der anderen lernen»
Aus diesem Grund sind weitere Bestrebungen zur Privatisierung gut denkbar, wie vor kurzem beim Regionalspital Einsiedeln (Ameos) oder beim Spital «Hôpital du Jura bernois» (Swiss Medical Network). Busse sagt gleichzeitig, dass er private Spitalbetreiber in einem nicht marktbeherrschenden Setting durchaus als «Bereicherung» empfindet. «Jede Trägerform kann von der anderen lernen und der gesamte Markt profitiert so davon», so der Gesundheitsökonom.
Dennoch hält Busse ein deutliches Übergewicht privater Spitalträger für «bedenklich». Denn aus seiner Sicht können nur öffentliche Träger langfristig eine Daseinsvorsorge garantieren können. Diese seien keinen Shareholder- oder anderen Trägerinteressen verpflichtet, sagt er. Aus diesem Grund plädiert er für Konzepte. Konzepte, die beinhalten, welche Spitäler in welcher Grösse und mit welchen Abteilungen in öffentlicher Trägerschaft gehalten werden müssten und den Erhalt dieser Spitäler dann zu sichern.