Michele Genoni, seit kurzem Präsident der invasiv tätigen Ärzte (Fmch), ist im November 2020 an Corona erkrankt. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sagte, er dass er bis zu 41 Grad Fieber hatte. Genoni sei in der Nacht schweissgebadet erwacht und musste bis zu dreimal das Pyjama wechseln.
Der Chirurg mit Jahrgang 1957 hatte dabei auch Atemnot, die noch nicht ganz vorbei sei. Er musste damals im Kantonsspital Chur behandelt werden, da er sich zu dieser Zeit in Graubünden aufhielt. Am meisten traf es ihn, dass er vier Wochen in absoluter Isolation war, weg von seiner Familie in Zürich. «Ich möchte das nicht noch einmal erleben», sagte er.
Folgeschäden bei verzögerten Operationen
Im Interview spricht der Herzchirurg auch über Folgeschäden bei Patienten, wenn Behandlungen covidbedingt verschoben werden müssen: «Bei Behandlungen, die wegen Covid vertagt wurden, haben wir viele Komplikationen in den Krankheitsverläufen gesehen, die sonst selten sind.»
Es seien seltene Komplikationen eines Herzinfarkts: beispielsweise eine Verbindung zwischen den beiden Herzkammern, ein Ventrikel-Septum-Defekt. Ferner stelle man fest, dass Patienten vor der Operation häufig instabil seien, in einem sogenannt dekompensierten, kreislaufmässig schlechten Zustand. Diese Patienten haben zum Beispiel ausgeprägte Atemnot. Das sei sehr schwierig vor einer Herzoperation.
Und was für den Patienten wie für die Chirurgen aber nicht minder schlimm sei: Die Patienten sind ihm zufolge emotional aufgrund der Wartezeit und der Ungewissheit in einem sehr fragilen Zustand. «Sie haben viel mehr Angst vor der Operation und sind verunsichert», so Genoni weiter.
«Bundesrat muss die Führungsrolle übernehmen»
Der oberste Chirurg der Schweiz hofft, dass der Bundesrat auf die «sehr kritische Lage» reagiere und nicht vor kurzfristigen, härteren Einschränkungen und schärferen Massnahmen zurückschrecke. «Wir können nicht so weiterfahren wie bisher.»
Das Zögern schade uns allen, und die Bevölkerung verstehe es nicht, sagte er der Zeitung weiter. Der Bundesrat müsse die Führungsrolle übernehmen, ein nationales einheitliches Vorgehen in Absprache mit den Kantonen beschliessen. So erhofft sich Michele Genoni eine Entlastung des Gesundheitssystems.