Hepatitis C: Medikamente für alle Betroffenen – wegen eines Preisbrechers

In der Schweiz ist ein neues, hochwirksames Hepatitis-Mittel erhältlich – aber nur mit Einschränkungen. In Frankreich wurden jetzt andererseits alle Einschränkungen aufgehoben – mit einem interessanten Kniff.

, 9. Januar 2017 um 15:03
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Im Nachbarland Frankreich gibt es nun eine Hepatitis-C-Behandlung für alle Betroffenen: Seit letztem Mittwoch haben alle Infizierten das Recht auf eine Dreimonats-Kur gegen das Virus. Das zuständige Gesundheitsministerium in Paris hat die Abschaffung jeglicher Limitatio beschlossen – allerdings verknüpft mit einer bemerkenswerten Einschränkung: Erstattet werden nur die Kosten für das Merck-Mittel Zepatier. Konkurrenzprodukte von Abbvie oder die bekannten Gilead-Präparate Sovaldi und Harvoni bleiben aussen vor (mehr dazu hierhierhier, hier und hier).
Denn konkret kostet eine Dreimonats-Kur mit Zepatier für einen französischen Patienten 28'700 Euro, also knapp 31'000 Franken. Die Konkurrenz-Mittel wären bis zu 60 Prozent teurer. Dabei kommt das MSD-Mittel gegen alle Genotypen des Hepatitis-Virus zum Einsatz.

«Wir sind offen…»

Die Franzosen gehen auf diese Weise ein Problem an, das bekanntlich auch das Bundesamt für Gesundheit in Bern stetig beschäftigt. Aus ärztlicher Sicht erscheint klar, dass eine «Durchkurierung» der Hepatitis-C-Betroffenen in der Schweiz wünschbar wäre. Aber angesichts von Behandlungskosten von rund 50'000 Franken pro Fall ist ein kategorischer Einsatz nur schwer erklärbar.
Das BAG signalisiert nun, dass man zu weiterhin Ausweitungen des Einsatzes bereit ist – aber nur, wenn die Pharmabranche die Preise senkt. «Wir sind offen, die Limitatio zu erweitern und haben die Industrie auch entsprechend informiert», sagt Jörg Indermitte, der Co-Leiter der Sektion Medikamente im BAG.

Preisunterschied in der Schweiz kleiner

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt den Einsatz eines neuen Wirkstoffs ebenfalls eingeschränkt: Denn zu Jahresbeginn brachte der US-Konzern Gilead Epclusa auf den Schweizer Markt – ein Kombipräparat, das gegen alle sechs Genotypen des Hep-C-Virus hochwirksam ist. Dennoch wird es hierzulande bloss beim Einsatz gegen Genotyp 3 vergütet; und sieht man von gewissen Spezialfällen ab, bekommen es nur Patienten mit mindestens einem mittelschweren Leberschaden bezahlt. Der Grund: Bei allen anderen – in der Schweiz meist häufigeren – Genotypen des Virus wäre das neue Medikament teurer.  
Zwar hört man in der Branche, Gilead wäre zu weitgehenden Preisnachlässen bereit gewesen wäre, wenn Epclusa in allen Fällen vergütet würde; doch dies kann das BAG nicht kommentieren.

«Roundtable dringend angezeigt»

Bleibt die Frage, ob die französische Strategie auch in der Schweiz eingesetzt werden könnte – quasi eine gewisse Exklusivität für einen «Preisbrecher». Der Punkt hier: In der Schweiz ist Zepatier mit Kosten von 15'400 Franken für eine Monatsration kaum günstiger als andere Mittel im Kampf gegen den Lebervirus. Noch?
Die Verhandlungen mit der Industrie dürften jedenfalls über manche Runden weiterdrehen. Philipp Bruggmann von der Schweizerischen Hepatitis-Strategie fordert nun, dass sich die Beteiligten endlich zusammensetzen: «Ein Roundtable-Meeting mit BAG, allen involvierten Pharmafirmen, den Patientenorganisationen und den medizinischen Spezialisten wäre dringend angezeigt», so der Chefarzt Innere Medizin der Arud Zentren.
  • Aktueller Überblicksbeitrag: Stefan Zeuzem, «Therapieoptionen bei Hepatitis C: Eine aktuelle Bestandsaufnahme», in: «Deutsches Ärzteblatt», Januar 2017.
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