Diese St. Galler Spitäler sind wohl von der Schliessung betroffen

Felix Sennhauser, der Chef der St. Galler Spitalverbunde, äussert sich in einem Interview erstmals, wann und welche Spitäler im Kanton schliessen könnten. Mutige Kommunikation oder Flucht nach vorne?

, 23. August 2018 um 07:46
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Vor knapp drei Monaten liess der Verwaltungsrat der St. Galler Spitäler die Bombe platzen: Um drohende Defizite von jährlich 70 Millionen Franken zu verhindern, schlug das Gremium vor, stationäre Leistungen künftig an einem Standort pro Verbund zu erbringen: Grabs, Uznach, Wil und St.Gallen. 
Die anderen fünf Spitälern, hiess es, könnten geschlossen werden:
  • Altstätten, 
  • Walenstadt, 
  • Wattwil, 
  • Flawil und 
  • Rorschach
Der Verwaltungsrat möchte diese fünf Häuser zu ambulanten Zentren umbauen. So sieht es zumindest das neue Konzept vor. 

Und plötzlich könnte es schnell gehen

Felix Sennhauser geht davon aus, dass die erste Spital-Schliessung in den nächsten zwei Jahren stattfindet, wie er dem «St. Galler Tagblatt» sagt. «Vielleicht auch schon früher. Aber: An diesen Spitälern wird das Angebot nicht auf null herabgefahren», so der Chef der St. Galler Spitalverbunde. Es werde primär keine stationären Betten mehr geben. Betroffen sind Flawil und Rorschach. Sennhauser  bestätigt ferner, dass es dort schnell gehen könnte. Aber abschliessend entschieden sei noch nichts.
Weiter sagt Felix Sennhauser, dass das Spital in Altstätten vielleicht gar nie gebaut und das Spital in Wattwil nicht fertig ausgebaut werde. «Wir werden die geplanten Arbeiten in Altstätten zum jetzigen Zeitpunkt kaum starten. Das ergibt keinen Sinn». Und Wattwil werde nochmals überprüft und wo nötig angepasst. «Der Vollausbau wird kaum so erfolgen, wie er geplant war – weil er nicht mehr nötig ist», so der Chef der Spitalverbunde. 

Politik vom Ernst der Lage überzeugen

Treiber der neuen Spitalstrategie ist laut Sennhauser nicht nur die Finanzen: Es sei vielmehr auch die zunehmende Spezialisierung der Ärzte, die wachsende Zahl ambulanter Eingriffe und der Zwang zu mehr Kooperationen. Dazu kommen der Fachkräftemangel sowie die medizinische und technologische Entwicklung. Die Situation habe sich zudem durch die Tarifeingriffe des Bundes noch akzentuiert. Man müsse jetzt handeln, sonst laufe man in ein Desaster hinein. Sennhauser (1953) sitzt seit zehn Jahren im Verwaltungsrat der St.Galler Spitalverbunde. Bis Ende Juli war er als Ärztlicher Direktor am Universitäts-Kinderspital Zürich tätig.
Spitäler zu schliessen, ist bekanntlich immer ein undankbarer Job: Ökonomisch vielleicht sinnvoll, aber politisch kaum durchsetzbar. Für Sennhauser ist die Kommunikation, die fundierte Überzeugungsarbeit das Zünglein an der Waage. Ob dies Sennhauser gelingen wird? «Wir sind zuversichtlich, dass sich die Politik und die Bevölkerung vom Ernst der Lage überzeugen lässt und die Notwendigkeit von Schliessungen einsehen wird», erklärt er dem SRF Regionaljournal.

«Klar und mutig»

Entscheiden muss schlussendlich aber das Kantonsparlament. Seit Ende Mai laufen intensive Diskussionen zwischen Politik und dem Spitalverbund. Derzeit sieht es danach aus, dass sich das Kantonsparlament erst im Frühling 2020 mit der St. Galler Spitallandschaft beschäftigen wird. Somit dürften definitive Beschlüsse erst in einigen Jahren vorliegen. Der Lenkungsausschuss, bestehend aus Mitgliedern der Regierung und des Spitalverwaltungsrats, hat erste Zwischenergebnisse für Frühling 2019 angekündigt.
Die St. Galler FDP etwa begrüsst, dass der Verwaltungsrat der Spitalverbunde «so klar und mutig» kommuniziert. «Für die harte inhaltliche Debatte, die ansteht, ist absolute Transparenz und Ehrlichkeit aller Seiten sehr wichtig», sagt Fraktionschef Beat Tinner. «Es ist Zeit, dem Volk die Wahrheit zu sagen», wird auch SVP-Parteipräsident Walter Gartmann zitiert. Ob die Schliessung die richtige Lösung sei, könne der St. Galler Politiker noch nicht beurteilen – «ich kenne noch zu wenige Fakten».

«Für Sennhauser wäre es Zeit zu gehen»

Anders tönt es im linken Lager: SP-Grünen-Fraktionschef Peter Hartmann zeigt sich erstaunt über Sennhausers Aussagen. «Vielleicht würde es sich lohnen, wenn Herr Sennhauser sich die politischen und demokratischen Abläufe jeweils vor Augen hält», sagt er der Zeitung. Eine Schliessung von Spitälern ohne vorgängigen politischen Prozess sei unmöglich. Und da ein Spitalstandort bestimmte Kriterien erfüllen müsse, gehe auch eine allfällige Umwandlung in ein Ambulatorium nicht. 
Ähnlich beurteilt dies auch Mathias Müller, Sprecher der CVP-Delegation in der St. Galler Spitalkommission. «Der Spital-Verwaltungsrat hat eine rein betriebswirtschaftliche Sicht. Er hat frühzeitig informiert, und das ist auch gut so.» Für abschliessende Entscheide sei es aber zu früh, es bestünden noch zu viele Unklarheiten», sagt Müller gegenüber dem «St. Galler Tagblatt».
Klartext spricht darüber hinaus Werner Ritter, der Präsident des Vereins Pro Spital Rheintal. «Darüber, was mit den St.Galler Spitälern weiter passiert, haben das Kantonsparlament und im Fall von Altstätten auch das Volk zu entscheiden, aber nicht der Verwaltungsrat der Spitalverbunde und schon gar nicht Felix Sennhauser.» Das Grobkonzept des Verwaltungsrats strotze «vor Widersprüchen und Fehlern». Eine Überprüfung sei aber nicht möglich, weil der Verwaltungsrat maure. «Jetzt stellt ganz offenbar die Spitalkommission des Kantonsparlaments die richtigen Fragen, denen sich Felix Sennhauser mit einer Flucht nach vorn entziehen möchte», sagt der Anwalt gegenüber der Zeitung. Bis anhin habe Sennhauser versagt – sowohl was die Strategie als auch was Politik und Kommunikation betreffe. «Für ihn wäre es Zeit zu gehen», sagt Ritter.
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