Diphterie Ja; Masern nein.

Wie berichtet, können Zürcher Impfapotheken ab dem 1. Juli zusätzliche Impfungen durchführen. Masern gehört nicht dazu. Warum eigentlich?

, 22. Mai 2020 um 06:00
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Im Kanton Zürich gibt es um die 240 Apotheken, davon haben 160 die Voraussetzung geschaffen, Impfungen zu verabreichen. Die Impfapotheken können ab dem 1. Juli an Personen ab 16 Jahren neben Grippe- und Zeckenimpfungen neu auch Impfungen gegen Diphterie, Starrkrampf, Keuchhusten und Kinderlähmung verabreichen. Nicht aber gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR).

Impfungen mit Lebendimpfstoffen sind komplexer

Warum also die Ausweitung des Impfangebots mit gleichzeitiger Ausklammerung der MMR-Impfungen? «Im Gegensatz zu den anderen Impfstoffen, die allesamt Totimpfstoffe sind, handelt es sich bei MMR-Impfungen um einen Lebendimpfstoff, begründet die Zürcher Gesundheitsdirektion ihre ablehnende Haltung: «Impfungen mit Lebendimpfstoffen sind komplexer und anspruchsvoller und können bei falscher Indikation schwerwiegendere Folgen haben». Die guten Erfahrungen, die mit der Verabreichung von Totimpfstoffen gemacht worden sind, könne nicht ohne Weiteres auf Impfungen mit Lebendimpfstoffen übertragen werden.

Keine Probleme in Solothurn und Freiburg

Lorenz Schmid bestreitet dies: «Impfungen gegen MMR in Apotheken sind in den Kantonen Solothurn seit 2015, Freiburg seit 2018 und Basel-Landschaft seit 2019 zulässig und laufen problemlos», sagt der Präsident des Apothekerverbands des Kantons Zürich. In der Vernehmlassung habe sich selbst das Bundesamt für Gesundheit (BAG) positiv geäussert. «Einzig die Ärzte und Kinderärzte stellten sich dagegen.» Dabei sei die Zahl der Masernfälle jüngst wieder gestiegen.
Schmid wiederspricht der gängigen Annahme, dass sich die meisten Schweizerinnen und Schweizer schon im Kindesalter gegen Masern impfen liessen. Bei Kindern von Impfgegnern sei dies öfters nicht der Fall. Sie würden dann als junge Erwachsene feststellen, dass ihnen die eine oder andere Impfung noch fehlt. Und dies in einem Alter, in dem man nicht mehr zum Pädiater geht und häufig noch keinen Hausarzt hat.

2500 bis 3000 Impfungen pro Jahr

Doch wie stark wird das Impfangebot in Apotheken überhaupt genutzt? In seiner TopPharm Apotheke Paradeplatz verzeichnet Lorenz Schmid 2500 bis 3000 Impfungen im Jahr, wobei er aus historischen Gründen und vielleicht auch dank des Standorts mit einer internationalen Kundschaft überdurchschnittlich viele Impfungen verabreichen kann. Im Schnitt dürften Impfapotheken so zwischen 500 und 700 Impfungen im Jahr vornehmen. Mit der Ausweitung des Angebots ab dem 1. Juli 2020 rechnet Schmid mit einer Zunahme von 20 bis 25 Prozent.
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