Strafanzeige gegen USZ-Chefarzt Maisano eingereicht

Die Zürcher Patientenstelle hat Strafanzeige gegen den USZ-Chefarzt Francesco Maisano eingereicht. Im Medinside-Interview erklärt Geschäftsführerin Erika Ziltener die Hintergründe - und kritisiert das Unispital.

, 26. Juni 2020 um 14:47
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Erika Ziltener, die Patentenstelle Zürich hat eine Strafanzeige gegen den Chefarzt des Unispitals Zürich (USZ), Francesco Maisano, eingereicht. Reichen Sie öfters Strafanzeigen ein?
Ich bin schon sehr lange dabei, eine Strafanzeige habe ich aber noch nie gemacht. Denn unser Ziel ist es nicht, Ärztinnen und Ärzte zu kriminalisieren – wir wollen die Patientensicherheit verbessern. Wenn bei Behandlungen Fehler passieren, soll an den Spitälern und in den Praxen ein Lerneffekt entstehen. Bei drohenden Strafanzeigen werden Fehler aber einfach verheimlicht. Bei zivilrechtlichen Klagen wird zudem meist einfach Schadenersatz bezahlt, dann geht man zur Tagesordnung über. Das Gleiche wäre wohl im USZ passiert. Deshalb mussten wir handeln. Die Strafanzeige war die letzte Option.
Wie lautet der Vorwurf gegen den Herzchirurgen?
Wir haben Herrn Maisano wegen möglichen Sorgfaltspflichtverletzung angezeigt. Das Strafanzeige richtet sich gegen ihn als Leiter, das Strafverfahren voraussichtlich aber natürlich auch gegen andere Personen im Operationssaal, die Verantwortung tragen.
Worin besteht aus Ihrer Sicht die Sorgfaltspflichtverletzung?
Es ist fraglich, ob die Patientinnen und Patienten mit der notwendigen Sorgfaltspflicht und nach den Richtlinien des medizinischen Wissenstands behandelt worden sind. Uns steht dazu inzwischen sehr viel Material zur Verfügung, das Fehlverhalten aufzeigt. Wurden Implantate eingesetzt, die noch nicht zu wenig erforscht und bzw. oder noch nicht zugelassen waren? Das dem so war, zeigz auch der Walder-Wyss-Bericht (Anm. d. R. die Anwaltskanzlei Walder Wyss verfasste im Auftrag des USZ einen Bericht zum Fall). Für solche Einzelfallbehandlungen braucht es Bewilligungen von Swissmedic und der Kantonalen Ethikkommission. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir annehmen, dass Herr Maisano den Bewilligungsgebern zentrale Informationen vorenthalten hat.
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Prominente Patientenschützerin: Erika Ziltener in einer Sendung des Schweizer Fernsehens. Die studierte Historikerin und diplomierte Pflegefachfrau leitet seit fast zwanzig Jahren die Patientenstelle Zürich. So lange präsidiert sie auch den Dachverband der Schweizerischen Patientenstellen. Zudem unterrichtet die 64-Jährige an verschiedenen Gesundheits- und Krankenpflegeschulen. | Screenshot SRF
Ist Ihre Anzeige auch so zu verstehen, dass das USZ aus Ihrer Sicht zu wenig zur Aufklärung macht?
Ja, den Tatbeweis, notwendige Konsequenzen aus dem Vorgefallenen ziehen zu wollen, hat das USZ bisher nicht erbracht. Und das, was ich bis jetzt weiss, spricht nicht dafür, dass es den Fall sauber aufarbeitet.
Das USZ hat doch den angesprochenen Walder-Wyss-Bericht in Auftrag gegeben. Dieser wurde vor wenigen Wochen publizierte und entlastet Maisano zumindest teilweise.
Der Bericht belegt zwar ein paar Verfehlungen – insgesamt ist er aber viel zu wässerig. Der Bericht wurde für das USZ gemacht und ist zu wohlwollend. Viele der getroffenen Schlüsse sind zudem nicht statthaft. So stellt der Bericht etwa fest, dass eine Reanimation nicht dokumentiert wurde - kommt dann aber beschwichtigend zum Schluss, dass das nicht so schlimm sei. Lückenhafte Dokumentationen sind eine Katastrophe - für die Betroffenen, die Behörden, die Forschung und die Entwicklung. Mich stören aber auch andere Aussagen im Bericht.
Zum Beispiel?
Es wird für Maisano entlastet angeführt, dass sich die betroffenen Patienten nicht beschwert hätten. Doch diese und ihre Angehörigen wussten von den Umständen ja schlicht nichts. Es fehlt in der Medizin häufig ein genügendes Meldesystem. Viele Vorfälle werden deshalb gar nicht registriert. Die Patienten sind zudem häufig schwer krank. Wenn es dann zu Komplikationen kommt, wissen sie und ihre Angehörigen nie mit Sicherheit, was die Gründe dafür waren. Personen können sich deshalb nicht wehren. Erst wenn Fälle – wie jetzt bei Maisano – an die Öffentlichkeit kommen, melden sich auch die Angehörigen anderer Betroffener bei uns.
Wie soll es aus Ihrer Sicht weitergehen?
Am USZ braucht es nun Konsequenzen. Doch vergessen wir nicht, vor einem Jahr hatten wir auch in Bern ein ganz ähnlicher Fall. Maisano ist also kein Einzelfall. Die Fehlerverarbeitungskultur in der Medizin muss sich dringend ändern.
Wie ist das zu schaffen?
Etwa, indem solch gravierende Fälle schweizweit einen Lerneffekt haben. Das ist auch das eigentliche Ziel unserer Anzeige. Indem die Strafbarkeit solchen Verhaltens belegt wird, entfaltet sich ein präventiver Charakter im gesamten Gesundheitswesen. Es braucht zudem dringend unabhängige Beschwerdestellen wie uns. Solche, bei denen sichergestellt ist, dass niemand, der fehlerhaftes Verhalten meldet, Nachteile erleidet. Und auch die Fachleute sind in der Pflicht: Sie müssen sich stärker für die Patientinnen und Patienten einsetzen. Denn letztere können sich meist nicht selbst wehren.
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