Corona: Psychologen nehmen die Belastung anders wahr

Die Psychiater werfen den Psychologen indirekt vor, die Versorgungssituation während der Pandemie zu dramatisieren. Doch diese wehren sich.

, 12. Februar 2021 um 15:21
image
Ängste, Schlafstörungen oder vermehrte Reizbarkeit: Wie schwierig ist es derzeit, psychiatrische oder psychologische Hilfe zu erhalten? Die Psychiater zumindest haben alles andere als den Eindruck, dass die Versorgung nicht gewährleistet sei. Es gibt keinen Mangel, viele Psychiaterinnen und Psychiater nehmen mehr Patienten als üblich auf, wie die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie SGPP in einer Stellungnahme schreibt. Längere Wartezeiten seien die Ausnahme. 
Der Verband kritisiert den «vorherrschenden Alarmismus» sowie auch «dramatisierende Darstellungen». Man sei besorgt über die weit verbreitete Annahme, die Schweiz sei psychiatrisch unterversorgt und könne deshalb die steigende Nachfrage nach Behandlungen wegen Corona nicht mehr bewältigen. Irritiert scheint die Fachgesellschaft auch über die Aussage der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) zu sein. Diese behaupten nämlich, dass in der Schweiz zu wenig Psychiaterinnen und Psychiater tätig wären.

Psychologen haben viel mehr zu tun

Die Psychologinnen und Psychologen können diese indirekte Kritik an ihrer Wahrnehmung aber nicht ganz nachvollziehen, wie die Co-Präsidentin Yvik Adler gegenüber Medinside sagt. Anders als die SGPP machten die Mehrzahl der Mitglieder leider die Erfahrung, dass sich die Versorgungssituation von psychisch erkrankten Menschen seit Ausbruch der Corona-Pandemie weiter verschlechtert habe.
Die FSP verweist dabei auf eine Umfrage unter 1 300 Psychologinnen und Psychologen. Darin gaben fast 70 Prozent der Befragten an, dass sie wegen mangelnden Kapazitäten bereits Patienten oder Klientinnen abweisen mussten. Diese Situation der psychisch belasteten Menschen in der Schweiz mache dem Berufsverband deshalb «grosse Sorgen».

Neue Untersuchung geplant

Die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen begründet die ungleiche Wahrnehmung der Versorgungssituation mit regionalen Unterschieden – und einer anderen Datenlage. Der Verband sei daran interessiert, wenn die Fachgesellschaft SGPP ihre Daten zur Verfügung stellen könnte. Gleichzeitig kündigt der Psychologenverband eine neue Untersuchung an, um die Situation noch genauer zu analysieren.

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

PDAG eröffnen neue Depressionsstation

Ohne Wartezeit, ohne Vorgespräch, ohne fixe Aufenthaltsdauer: Die Psychiatrischen Dienste Aargau eröffnen eine spezialisierte Depressionsstation.

image

«Chronisch unterfinanziert»: Baselbieter Psychiatrie mit Defizit

Die Psychiatrie Baselland hat über 15'000 Patienten behandelt. Aber sie hat einen Verlust von 3,5 Millionen Franken gemacht – vor allem wegen hoher Personalkosten.

image

Neue Direktorin für das Clienia Bergheim

Nadja Lüthi ist ausgebildete Pflegefachfrau und arbeitete zuvor für Viafutura und das Stadtspital Zürich.

image

Ein Therapie-Chatbot kann bei psychischen Erkrankungen helfen

Zum ersten Mal zeigt eine Studie, dass ein Chatbot die Symptome von Depressionen und Angstzuständen lindern kann.

image

UPD: Therapie zu Hause erfolgreicher als Klinikaufenthalt

Kinder und Jugendliche mit schweren psychischen Erkrankungen könnten langfristig mehr von einer Therapie zu Hause profitieren als von einer stationären Behandlung.

image

UPK Basel: CEO Michael Rolaz geht nach Luzern

Im September übernimmt er das Präsidium der Luzerner Psychiatrie Lups. Die Stelle in Basel wird ausgeschrieben.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.