Bericht kritisiert Mutterschutz im Inselspital

Das Berner Spital schütze schwangere Mitarbeiterinnen ungenügend. Zu diesem Schluss kommt eine Masterarbeit der Hochschule Luzern.

, 21. Juli 2015 um 10:31
image
  • insel gruppe
  • spital
  • arbeitswelt
  • kanton bern
Das Inselspital Bern soll seine Mitarbeiterinnen während der Schwangerschaft zu stark belasten. Dies geht aus einer Masterarbeit der Hochschule Luzern hervor, wie die «Berner Zeitung» am Dienstag berichtet. Die Arbeit selber hatte das Spital selber in Auftrag gegeben, nun war sie der BZ anonym zugesandt worden.
Mit dem Mutterschutz habe es «häufig nicht geklappt», heisst es in der Untersuchung. «Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Anpassung der Arbeitstätigkeit (...) um gesetzliche Vorschriften handelt, müssen die Ergebnisse als ungenügend betrachtet werden», so das Fazit.

Wurde die Grenze des Erträglichen überschritten?

245 Mitarbeiterinnen, die kurz zuvor Mutter geworden waren, füllten im Dezember 2013 einen Fragebogen aus. Die Ergebnisse:

  • Zwei Drittel der Frauen gaben an, dass sie während der Schwangerschaft die vorgeschriebenen Pausen und Ruhemöglichkeiten zu wenig wahrnehmen konnten.
  • Bei zwei Dritteln wurde keine Risikobeurteilung durchgeführt, die nötig wäre, um den Arbeitsplatz und die zu verrichtenden Arbeiten als ungefährlich deklarieren zu können.
  • Knapp jede vierte Teilnehmerin war nach eigenen Angaben ungenügend vor gesundheitsschädigenden Einflüssen geschützt.
  • Der Dienstplan wurde bei einem Drittel der Frauen nicht oder nur ungenügend angepasst.

Damit stütze die wissenschaftliche Arbeit vom September 2014 Vorwürfe der Ärztin Natalie Urwyler. Die Oberärztin hatte im letzten November Kritik geäussert an ihrem damaligen Chef, den Direktor der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie (KAS).
Ein zentraler Vorwurf war der Mutterschutz, der laut Urwyler systematisch missachtet worden sei. Ihre Klage gegen das Inselspital ist vor dem Regionalgericht hängig. Die Verhandlung findet voraussichtlich im Herbst statt.

Was die Studienautorin empfiehlt

Die Autorin der Masterarbeit hält fest: «In der Befragung der Vorgesetzten am Inselspital fiel ein weitgehend fehlendes Problembewusstsein bezüglich Mutterschutz auf.»
Deshalb empfiehlt sie dem Inselspital, eine «familienfreundliche Unternehmenskultur» zu entwickeln – etwa, indem verbindliche Leitsätze formuliert und die Führungspersonen geschult werden. Auch soll die Insel unter anderem ein Kurzpausensystem einführen und Räume einrichten, in denen die Mütter ihre Kinder stillen können.

Was das Inselspital dazu sagt

Das Inselspital sagt gegenüber der «Berner Zeitung»: «Die Befunde und Empfehlungen der Masterarbeit fliessen bereits in die Personalpolitik ein». 
So würden zum Beispiel werdende Mütter im internen Netzwerk der Insel über ihre Rechte und Pflichten informiert. Weitere konkrete Anpassungen werden laut der Zeitung aber trotz Nachfragen nicht genannt.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

«Friendly Work Space» – diese Spitäler tragen neu das Label

Die Gesundheitsförderung Schweiz zeichnet Unternehmen aus, die besonders gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen schaffen.

image

Nach abruptem Abgang: Die Psychiatrie St. Gallen hat wieder eine Direktorin

Steffi Weidt wird im April 2024 Direktorin 'Medizin und Psychologie' der Psychiatrie St. Gallen.

image

Urologie: 44 Spitäler wollten – diese 27 dürfen

In der Hochspezialisierten Medizin (HSM) wurden neue Leistungsaufträge vergeben – diesmal für zwei komplizierte Urologie-Operationen.

image

Männergesundheit: «Vorsorge lohnt sich»

Männer sterben früher als Frauen. Auch, weil sie sich weniger um ihre Gesundheit kümmern, meint Prof. Dr. med. Stephen Wyler, Chefarzt und Klinikleiter Urologie sowie Leiter des Prostata- und Uroonkologischen Zentrums am Kantonsspital Aarau KSA.

image

Dem See-Spital bleibt das neue Medical-Center versagt

Das See-Spital Horgen kapituliert: Es verzichtet auf den geplanten Neubau.

image

Schon wieder eine Entlassung am Bürgerspital

Angestellt und nach anderthalb Jahren schon wieder weg: Die Solothurner Spitäler haben einen Chefarzt freigestellt.

Vom gleichen Autor

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum Medizinstudierende im Studium ihre Empathie verlieren

Im Laufe eines Studiums nimmt offenbar das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten ab. Dies zeigt eine neue Studie.

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.