Apotheken fielen im Beratungstest durch

Hartes Testurteil des «Gesundheitstipps» über Apotheken: Sie kassieren Beratungsgebühren, klären aber nur ungenügend über Nebenwirkungen auf.

, 28. Juli 2021 um 09:40
image
  • apotheken
  • medikamente
  • heilmittelgesetz
«Zwar kassieren fast alle Apotheken gerne die Pauschale von rund sieben Franken, doch die Beratung ist oft mangelhaft»: Zu diesem Schluss kommt die Zeitschrift «Gesundheitstipp» nach einer Stichprobe bei sechs Apotheken in Basel, Bern und Zürich.

Riskante Nebenwirkung ging meist vergessen

Testkunden kauften Stugeron-Tabletten, ein Mittel gegen Reiseübelkeit. Für dieses Mittel braucht es seit einiger Zeit ein Rezept. Die Apotheken dürfen es aber auch ohne Verschreibung verkaufen - sofern sie die Personalien des Kunden aufnehmen und ihn über mögliche Gefahren aufklären (siehe weiter unten).
Zwar nahmen die meisten Apotheken pflichtbewusst die Personalien auf und fragten die Kunden, ob sie andere Medikamente nähmen. Doch bei der Aufklärung über Nebenwirkung haperte es: Nur gerade die City-Apotheke Basel wies in einem von drei Testkäufen darauf hin, dass Stugeron riskant für Autofahrer sei, weil es schläfrig macht. Bei den anderen fünf Apotheken war das nie der Fall.

Apotheken wollen nachschulen

Alle getesteten Apotheken gelobten denn auch Besserung und wollen ihr Personal darauf hinweisen oder sogar dafür nachschulen, dass es diese gefährliche Nebenwirkung erwähnt.
Dass die ernüchternde Stichprobe nun gleich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) dazu bewegen könnte, den Apotheken die Abgabeerlaubnis für gewisse B-Medikamente wieder zu entziehen, glaubt Pharmasuisse nicht.

Mitglieder reagieren meist selber auf solche Tests

Auch mehr Instruktionen zu diesem Bereich brauche es nicht: «Es besteht ein breites Angebot an fachlichen Weiterbildungsmöglichkeiten und entsprechenden Empfehlungen», hält ein Sprecher des Verbands fest. Ausserdem habe man die Erfahrung gemacht, dass die Mitglieder meist rasch Kenntnis haben von solchen Tests und selber reagieren.
Trotz des schlechten Abschneidens in der Stichprobe, hat Pharmasuisse gegen derlei Tests keine grundsätzlichen Vorbehalte. Ein Sprecher betont allerdings: «Stichproben sind nicht repräsentativ, sondern nicht selten etwas oberflächlich. Seriös vorgenommene Tests können geeignet sein, aufzuzeigen, wo die Apotheker und Apothekerinnen noch genauer hinschauen müssen.»

Seit gut zwei Jahren gibt es keine Kategorie C mehr

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat 2019 die einstige Abgabekategorie C für Medikamente gestrichen. Solche Medikamente waren in Apotheken rezeptfrei erhältlich.
Nun braucht es für viele dieser Mittel ein Rezept – etwa für Hustenmittel oder Medikamente gegen Reisekrankheit. Weil das BAG die «vorhandenen Fachkompetenzen bei der Abgabe von Arzneimitteln besser ausschöpfen» wollte, hat es im Gegenzug die Abgabekategorie B erweitert: Die Apothekerinnen und Apotheker können nun bestimmte Arzneimittel dieser Kategorie auch ohne ärztliche Verschreibung an Patientinnen und Patienten abgeben. Sie müssen aber die Personalien aufnehmen und sie beraten. Dafür können sie eine Gebühr – in der Regel 7 bis 7.50 Franken – verlangen. Etwa 180 Apotheken in der Schweiz verzichten auf diese Gebühr.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Per App zur Apotheke: Benu testet Expresslieferung mit Just Eat

Schnupfenmittel, Babyfood oder Schwangerschaftstests – ab sofort liefert Just Eat aus den Benu-Apotheken an die Haustür. Mit dem Projekt will die Kette die «Apotheke der Zukunft» greifbarer machen.

image

Apotheken dürfen mehr von ihrer Arbeit verrechnen

Der neue Tarifvertrag für die Apotheken regelt, wie viel die Verblisterung von Medikamenten und die Beratung künftig kosten darf.

image

Galenica testet neues Apothekenkonzept

Die Apothekenkunden informieren sich zunehmend online – die Amavita-Filiale im Glattzentrum reagiert darauf mit speziellen Beratungsräumen, digitalen Tools und halbprivaten Zonen. Das Pilotprojekt soll Erkenntnisse für künftige Filialen liefern.

image

Apotheke kooperiert mit Ärzten – Kritik aus Fachverband

In Küsnacht kooperieren eine Apotheke und eine Hausarztpraxis neu unter einem Dach. Der Apothekerverband begrüsst das Modell, der Haus- und Kinderärzteverband Zürich warnt vor Qualitätsrisiken.

image

Apotheken: Mehr Bedeutung, weniger Nachwuchs

Die Zahl der Apotheken in der Schweiz bleibt konstant – der Arbeitsaufwand steigt. Laut der Jahresstatistik von Pharmasuisse nehmen Beratungen zu, während das System personell an Grenzen stösst.

image

Medikamente: Nationalrat lehnt einfachere Zulassung ab

Im Unterschied zum Ständerat will der Nationalrat nichts wissen von einer erleichterten Einfuhr patentabgelaufener Medikamente.

Vom gleichen Autor

image

«Das Inselspital ist noch lange nicht über den Berg»

Das Inselspital wartete mit guten Meldungen auf. Doch der Insel-Kritiker Heinz Locher gibt keine Entwarnung.

image

So entgehen Sie dem Hochstapler-Syndrom

Viele Ärztinnen und Ärzte überfordern sich – und glauben dann selber, dass sie über ihrem Können spielen. Das ist schlecht für die Psyche.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.