Die Kantonsregierung der Waadt will bei den Spitälern ab nächstem Jahr
rund 20 Millionen Franken einsparen. Mit einer Kürzung um 3 Millionen Franken pro Jahr gehört der Pôle Santé Vallée de Joux zu den stark betroffenen Betrieben. Die Gesundheitsorganisation betreibt im abgelegenen Jura-Tal unter anderem ein kleines Spital.
Nun sieht sie sich womöglich gezwungen, die stationären Angebote zu streichen und auch bei den ambulanten Aktivitäten abzubauen.
Dazu ein Gespräch mit zwei Verantwortlichen: Pascale Meylan, Generaldirektorin, und Surennaidoo Naiken, medizinischer Direktor und Chefarzt der Chirurgie. Beide kritisieren, dass die harte Entscheidung ohne Absprache getroffen wurde.
Wie würde sich eine Verschiebung von Patienten auf andere Einrichtungen auswirken?
Surennaidoo Naiken: Erstens werden wir bis zum Ende kämpfen, um die Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Zweitens zeigen uns die Erfahrungen und Erlebnisse der Ärzteschaft wie des Pflegepersonals, dass es überall überläuft, wenn es irgendwo überläuft: Andere Einrichtungen sind froh, uns zu haben. Letztes Jahr baten uns das CHUV und andere Institutionen, Patienten aufzunehmen, und schickten sie zu uns. Es gab Covid, die Hitzewelle im Sommer 2022 oder die Grippe im letzten Jahr. Die Krankenhäuser sind schnell überlastet.
«Andere Spitäler bitten uns, Patienten zu übernehmen. Wohin sollen diese Patienten gehen?»
Die mögliche Schliessung einer Einrichtung wird sich auch auf andere Einrichtungen auswirken: Man darf nicht vergessen, dass es auch anderswo Kürzungen gegeben hat. Die verbleibenden Organisationen werden gezwungen sein, weiterhin Patienten zu versorgen. Meiner Meinung nach steuern wir auf eine Katastrophe zu.
Pascale Meylan ist seit der Gründung Generaldirektorin des Pôle Santé Vallée de Joux; davor arbeitete sie im Management des CHUV. Surennaidoo Naiken ist Facharzt für Allgemeinchirurgie und Viszerale Chirurgie und Medizinischer Leiter des Pôle.
Der 2018 gegründete Pôle Santé Vallée de Joux bietet ein integriertes und in der Region einzigartiges Angebot: ein Spital, ein Alters- und Pflegeheim und eine Spitex-Organisation. Darüber hinaus offeriert er Leistungen in der Akut- und präklinischen Versorgung – inklusive eines 24-Stunden-Notfalldienstes und eines Operationssaals – sowie ambulante Pflegeleistungen. Der Pôle beschäftigt heute 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Pascale Meylan: Jedes Jahr gibt es Phasen, in denen die Spitälern überlastet sind und alle Betten – zu denen auch unsere gehören – belegt sind. Andere Spitäler in der Stadt oder in der Ebene bitten uns, Patienten zu übernehmen. Wohin sollen diese Patienten gehen? Das ist eine wichtige Frage.
Wie haben sich die verschiedenen Institutionen bislang über die Spar-Ankündigungen des Kantons Waadt ausgetauscht?
Meylan: Es besteht der Wille zusammenzuarbeiten – innerhalb der Fédération des hôpitaux vaudois, aber auch im gesamten Kanton. Man will geschlossen an den Staatsrat gelangen, um die Entscheidungen zu beeinflussen und den Dialog zu eröffnen. Es ist notwendig, dass wir gemeinsam vorgehen und dass jede Institution ihre eigenen Aufgaben verteidigen kann.
Naiken: Wegen der Art und Weise, wie die Ankündigung gemacht wurde, ist es für uns schwierig, uns abzustimmen, da viele Leute im Urlaub sind. Dennoch gibt es bereits eine beispielhafte Solidarität. Mit vereinten Kräften können wir die Leistungen für die Bevölkerung weiterhin erbringen.
Welche weiteren Folgen erwarten Sie?
Naiken: Man kann natürlich über mögliche Entlassungen und die Auswirkungen sprechen, die dies haben wird: Es wird zwangsläufig wirtschaftliche Folgen geben. Unsere Region hat 8'000 Einwohner, auch hier wird es Auswirkungen geben.
«Einige der Ärzte, die bei uns praktizieren, haben ihre Ausbildung absolviert und sich dann in der Region niedergelassen. Es gibt eine offensichtliche Form der 'Kundenbindung'.»
Darüber hinaus geht es auch um die Ausbildung von Ärzten. Heute haben wir die gleiche Konzentration wie städtische Gebieten: ein Arzt pro 1'000 Einwohner. Einige der bei uns tätigen Ärzte haben ihre Ausbildung absolviert und sich dann in der Region niedergelassen. Es gibt eine klare Form der Loyalität gegenüber der Region.
Wie könnte sich eine Schliessung auf den Nachwuchs auswirken?
Naiken: Wenn wir morgen dieses Spital verlieren, können wir den Nachwuchs nicht garantieren. Heute profitieren die Ärzte in der Ausbildung von der technischen Ausstattung, die der Pôle Santé bietet, insbesondere im Rahmen der integrierten Versorgung. Wir sind ein Ausbildungszentrum, sei es für Pflegekräfte, sei es für andere Berufe im Gesundheitsbereich, aber auch in der Allgemeinmedizin.
«Wir beschäftigen 250 Personen, von denen mehr als die Hälfte im Bezirk Vallée de Joux wohnen.»
Eine Schliessung würde schlicht und einfach bedeuten, dass es einen Ausbildungsstandort weniger gibt. Dasselbe gilt für den Gesundheitspool des Pays d'Enhaut. «Gouverner c'est prévoir»: Mit diesen Kürzungen scheint der medizinische Nachwuchs in den Hintergrund gedrängt zu werden.
Meylan: Wir sind sehr aktiv in der Ausbildung von Jugendlichen und bieten Lehrlingsausbildungen in allen Berufen an. Diese Jugendlichen haben das Glück, ihre Lehre in der Region zu absolvieren, in der sie leben. Dies ist sowohl für das Familienleben als auch für die Kosten, die auf die Familien zurückfallen, von Bedeutung.
Die politische Debatte dreht sich oft um solche Herausforderungen: Sicherung des Nachwuchses, Behebung des Ärztemangels, patientennahe Versorgung. Wie sehen Sie die Sparmassnahmen vor diesem Hintergrund zu interpretieren?
Meylan: Sie erscheinen inkohärent. Das Vallée de Joux hat zwar schon Krisen erlebt, aber seine Bewohner wissen, wie man mobilisiert. Es ist eine Region, in der die Menschen solidarisch sind. Heute mobilisieren wir die lokalen Behörden und die Wirtschaft, um gemeinsam Termine beim Staatsrat zu erhalten. Wir sind in der Lage, die Bedeutung unserer Institution für die Region Vallée de Joux zu demonstrieren: Wir beschäftigen 250 Personen, von denen mehr als die Hälfte im Bezirk Vallée de Joux wohnen. Dies ist eine enorme Auswirkung auf die Beschäftigung.
Welche Lehren lassen sich aus dieser Situation ziehen?
Naiken: Das Gefühl der Ungerechtigkeit bleibt bestehen, es geht über die Form und den Inhalt hinaus. Der Pôle de Santé ist ein innovatives Projekt, das vom Staat gefordert wurde: Ohne in Polemik zu verfallen, ist es wichtig, das zu betonen. Wir wollen nichts unversucht lassen. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung, die Reaktion auf Notfälle, das Aufnahmerecht, die Rechte der Patienten: Wir sind dabei, alles mit Füßen zu treten. Wenn es aber keine Verhandlungen gibt, wird es Aufgabe des Staates sein, diese Massnahmen zu übernehmen und die Bevölkerung zu informieren.
«Vor sieben Jahren wurde entschieden, einen bürgernahen Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Die heute ergriffenen Massnahmen stehen in völligem Widerspruch zu dem, was vor mehreren Jahren gesagt wurde.»
Meylan: Alles ist insofern unverständlich, als vor sieben Jahren entschieden wurde, den Zugang der Bevölkerung zur Gesundheitsversorgung in der Nähe zu entwickeln und zu erhalten. Die jetzt ergriffenen Massnahmen stehen in völligem Widerspruch zu dem, was vor mehreren Jahren gesagt wurde. Für uns ist dies inakzeptabel. Was die Mobilisierung motiviert, ist natürlich unser Personal, das sich tagtäglich dafür einsetzt, diese Leistungen im Vallée de Joux anzubieten und den Zugang unserer Bevölkerung zur Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.