Pflegeengpass und Temporärpersonal: Eine riskante Kombination

In Spitälern steigt das Sterberisiko, wenn die Pflege dünn besetzt ist. Mehr noch: Aushilfen mildern diese Gefahr nur wenig. Das zeigt eine grosse Studie aus England.

, 16. Oktober 2024 um 05:26
letzte Aktualisierung: 28. Januar 2025 um 08:16
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Kleine Unterschiede, grosse Wirkung: Pflegerinnen auf Station in England  |  Bild: Screenshot aus dem Imagefilm «We are nurses. We are NHS».
Wenn in einem Spital die Pflege unterbesetzt ist, steigt das Sterberisiko der Patienten. Das wurde schon durch diverse Studien untermauert (eine relativ aktuelle Übersicht findet sich hier).
Und wenn die Pflege zwar nicht unterbesetzt ist, aber viele Temporär-Angestellte die Lücken füllen? Dann ist die Mortalität ebenfalls signifikant erhöht.
Dies ist die Kernaussage einer grossen Beobachtungsstudie aus England. Ein Team der University of Southampton verarbeitete dabei Daten von vier NHS-Spitalzentren beziehungsweise von über 625'000 stationären Patienten.
  • Peter Griffiths, Christina Saville, Jane Ball, David Culliford et al.: «Nursing Team Composition and Mortality Following Acute Hospital Admission», in: JAMA Network Open, August 2024.
  • doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.28769
Die Datenanalyse untersuchte jeweils die Lage in den ersten fünf Tagen des Spitalaufenthalts: Wie waren die Stationen in jener Phase mit Pflegefachleuten (Registered Nurses) und Hilfspflegepersonal (Nursing Assistants) besetzt? Respektive wo gab es Vakanzen? Und wie war der Anteil der Temporär- und Leih-Arbeitskräfte?
Auf der Gegenseite eruierte man dann die Todesfälle innert 30 Tagen nach der Spitalaufnahme.
Statistisch ausgedrückt lauteten die Ergebnisse so:
  • Das Sterberisiko war höher, wenn die Patienten auf eine dünnen Besetzung mit examinierten Pflegefachkräften beziehungsweise angestelltem Pflegehilfspersonal trafen.
  • Jeder Tag mit niedriger Besetzung mit Registered Nurses schlug sich statistisch in einem um 7,9 Prozent höheren Sterberisiko nieder. Jeder Tag mit niedriger Besetzung von Hilfspflegepersonal war mit einem 7,2 Prozent höheren Risiko verbunden.
  • Mit jedem 10-prozentigen Anstieg des Anteils an temporären Pflegepersonal stieg das Sterberisiko um 2,3 Prozent.
  • Dieser Effekt zeigte sich sowohl bei Zeitpersonal von Agenturen wie auch bei Temporärpersonal, das vom Spital selbst angestellt worden war.
«Die Ergebnisse deuten an, dass die Vorteile der Vermeidung von Personalengpässen zwar grösser sein können als die Nachteile, die der Einsatz von Temporärpersonal mit sich bringt, insbesondere für Pflegekräfte», schreiben die Autoren in ihrer 'Conclusion': «Doch das Risiko ist weiterhin erhöht, wenn Zeitarbeitskräfte gegen Personalengpässe eingesetzt werden. Dies stellt die Annahme in Frage, dass Zeitarbeitskräfte eine kosteneffiziente langfristige Lösung zur Sicherung der Patientensicherheit darstellen.»

  • fachkräftemangel
  • pflege
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