Die Verhandlung, die am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Littoral und Val-de-Travers im Kanton Neuenburg stattfand, war ungewöhnlich: Auf der Anklagebank sass ein noch praktizierender Arzt, der wegen fahrlässiger Tötung angeklagt wurde.
Der Fall geht auf den Sommer 2020 zurück. Ein 41-jähriger Patient, der an Schizophrenie litt, hatte mehrere Wochen lang über Müdigkeit, Schwindel und Appetitlosigkeit geklagt. Sein Arzt hatte nach einem Hausbesuch eine Blutprobe angeordnet. Nach Erhalt der Ergebnisse verschrieb er Kalium, das der Patient zu Hause erhielt und selbstständig einnahm.
Laut der Anklageschrift entsprach diese Behandlung «nicht den Regeln der Kunst», zumal der Patient eine Vorgeschichte mit Lungenembolie und Alkoholismus hatte.
Einige Tage später verstarb der Mann in seinem Haus. Bei der Autopsie konnte keine genaue Todesursache festgestellt werden.
Ein Patient, der «voll urteilsfähig war»
Laut der Anklage «deuteten die Laborergebnisse auf eine akute, potenziell schwerwiegende Verdauungserkrankung hin», etwa Pankreatitis oder ein Geschwür. Angesichts der Komorbiditäten bestand ein hohes Sterberisiko: «Der Arzt hätte angesichts der psychiatrischen Vorgeschichte des Patienten auch gegen dessen Willen eine Hospitalisierung organisieren müssen, nötigenfalls in Form einer fürsorgerischen Unterbringung im Spital».
Der Arzt wies einen Kunstfehler von sich: Er könne einen Patienten, der «voll urteilsfähig» sei, nicht zwingen und müsse dessen Willen respektieren. Und Verteidiger Georges Schaller wies darauf hin, dass es keine fürsorgerische Unterbringung aus somatischen Gründen gebe.
Laut Informationen von
«Radio Télé Neuchâtel» verwies der Anwalt seinerseits auf die fehlende Reaktion des Neuenburger Zentrums für Psychiatrie (CNP), wo der Patient betreut wurde. Der Arzt hatte mehrere E-Mails über die schwere Behandlung seines Patienten gesandt und um den Einsatz eines psychiatrischen Teams zu Hause gebeten – E-Mails, die unbeantwortet blieben.
Der sichtlich bewegte Arzt äusserte sich traurig über den Ausgang der Behandlung, sagte, er könne nicht verstehen, was zum Tod geführt habe, und behauptete, er sei «in [seiner] beruflichen Befindlichkeit» getroffen worden.
Die Staatsanwaltschaft fordert eine Strafe von 50 Tagessätzen. Das Urteil wird bis Ende des Monats verkündet.