Die Vidymed-Gruppe, die unter anderem ein Notfallzentrum in Lausanne betreibt, ergreift eine drastische Massnahme gegen die Politik den Versicherers Helsana: Seit diesem Montag nimmt ihr Notfallzentrum
ausserhalb der Standard-Sprechstunden keine Versicherten der grössten Schweizer Krankenkasse mehr auf – also abends nach 19 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen.
Es ist dies eine weitere Facette im Dauerstreit, der seit Juli 2024 die Grundversorger und die Kassen beschäftigt – also seit das Bundesgericht die Erhebung von besonderen Zuschlägen für Behandlungen ausserhalb der regulären Sprechstundenzeiten erschwerte.
Patrick Marquis, medizinischer Direktor von Vidymed, erklärte
im Gespräch mit dem TV-Sender RTS, dass die Patienten nach der Dringlichkeit ihrer Situation eingereiht werden: Ernsthafte und echte Notfälle würden behandelt – auch wenn es Helsana- Patienten sind. Wenn es der Zustand aber erlaubt, werden diese zur Konsultation während der Öffnungszeiten eingeladen.
100 Franken minus 20 Franken = nichts
Der Streit dreht sich bekanntlich darum, ob Institutionen, die (insbesondere mit angestellten Ärzten) regelmässig Dienste zu Randzeiten anbieten, dafür Notfall-Inkonvenienzen verrechnen dürfen. Das Bundesgericht lehnte dies bekanntlich ab – und Helsana gehört zu den Kassen, die besonders offensiv nun dagegen vorgehen und auch Rückerstattungen verlangen. Laut Vidymed geht der Kasse sogar noch weiter: «Wenn auf einer Rechnung von 100 Franken eine Notfallgebühr von 20 Franken erhoben wird, weigert sich Helsana, die gesamte Rechnung, d. h. die restlichen 80 Franken, zu bezahlen», sagte Patrick Marquis von Vidymed.
Wenn nun Helsana-Versicherte nach Hause geschickt werden, sei dies keine Diskriminierung, sondern eine notwendige Reaktion: «Das Problem liegt nicht auf unserer Seite, sondern auf der Seite des Versicherers», sagte Marquis. Er berichtete auch, dass die Gespräche mit dem Versicherer schwierig waren: «Wir hatten immerhin Kontakt mit dem Helsana-Verwaltungsrat, der die Illegalität dieser Praxis anerkannt hat.»
«Das Risiko besteht darin, dass sie die Notfallsysteme von Krankenhäusern verstopfen, die sich eigentlich anderen Dingen widmen – das heisst, Menschen zu retten, die in Lebensnot sind.» Patrick Marquis, medizinischer Direktor der Vidymed-Gruppe
Patrick Marquis erinnert daran, dass Vidymed und ähnliche Gruppen mehr als ein Drittel der Notfälle im Kanton Waadt betreuen. «Wenn diese Patienten nicht behandelt werden, sind es etwa 36'000 Patienten pro Jahr, die an das CHUV überwiesen werden, und das CHUV kann diesen Patientenstrom derzeit nicht bewältigen», sagte er. Er fügte hinzu: «Das Risiko besteht darin, dass sie die Notfallsysteme von Spitälern überlasten, die für andere Dinge zuständig sind – das heisst, Menschen zu retten, die in Lebensgefahr sind.»
Interview mit Patrick Marquis, medizinischer Direktor der Vidymed-Gruppe, in der Sendung «Forum» von RTS, 27. Februar 2025.