Assistenzarzt, 29, plant baldige Frühpensionierung

Ein junger Neurologe will nach acht Jahren schon wieder aus seinem Beruf aussteigen. Mit seinem Plan erntet er Bewunderung und Kritik.

, 13. August 2025 um 14:14
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Mit 30 Jahren aus dem Beruf aussteigen: Davon träumen vielleicht viele, können es sich jedoch nicht leisten. Roberto Nickson auf Unsplash
Ein junger Assistenzarzt machte öffentlich, dass er in Frühpension gehen will. Er arbeitet derzeit als Neurologe in der Rehab Basel und verdient im Monat 7500 Franken netto. Das ist ein normaler Lohn für einen jungen Assistenzarzt.
Speziell ist aber, dass er bereits in einem Jahr seinen Beruf wieder aufgeben will. Da wird er gerade einmal 30 Jahre alt sein. Seinen Lebensunterhalt will er künftig mit 3000 Franken pro Monat bestreiten. Das Geld stammt aus dem Ertrag von Wertschriften und Mieteinnahmen von sieben Wohnungen, die er sich gekauft hat.
Seinen Ausstieg nach nur acht Jahren betrachtet er von zwei Seiten: Angesichts des Ärztemangels habe er schon auch ein schlechtes Gewissen. «Aber ich will nicht für das Versagen der Politik büssen.» Es müssten mehr Ärzte ausgebildet werden und es brauche bessere Arbeitsbedingungen, um die Leute im Beruf zu halten, sagte er gegenüber der «Berner Zeitung».

«Krass lange Arbeitszeiten»

Der Aussteigewillige studierte in Rumänien an einer internationalen Uni Medizin und kam vor sieben Jahren als Assistenzarzt in die Schweiz. Das Berufsleben fand er aber überhaupt nicht toll. Die Arbeitszeiten seien «krass lang». Zu Spitzenzeiten stünden auch mal 70-Stunden-Wochen auf dem Plan. Und: «Man verbringt mehr Zeit am Computer als bei den Patienten.» Der ganze Druck habe ihn abstumpfen lassen.
Mediziner pflichteten ihm in vielen Kommentaren bei: «Es sind die Arbeitszeiten, die physische, psychische und emotionale Belastung, die fehlende Wertschätzung am Arbeitsplatz, die fehlende Kompatibilität mit vielen sozialen Aktivitäten. Kaum jemand in meinem Umfeld hat nicht zumindest zwischendurch darüber nachgedacht, aufzuhören, einige, die mit mir zusammen studiert haben, sind schon ausgestiegen nach wenigen Jahren. Selbst von denen, die nicht aussteigen, sagen viele, dass sie sich nicht nochmals für die Medizin entscheiden würden, wenn sie nochmals die Wahl hätten.»

«Wo ist hier die Berufung?»

Doch neben Verständnis oder Bewunderung für sein Ziel, mit seinem sparsamen Lebensstil nicht mehr arbeiten zu müssen, erntete der Arzt auch Kritik an seinem frühzeitigen Ausstieg aus dem Beruf.
Eine Frau fragt: «Wo ist denn hier die Berufung? Die Passion zur Wissenschaft? So jung und es dreht sich alles nur ums Geld und wie ich mit möglichst wenig Aufwand möglichst hohen Profit ausschlagen kann.»
Ein Kommentator schlug vor: «Sowas sollte man gleich zu Beginn des Studiums sagen, damit man unmittelbar nach dem Ende des Studiums beziehungsweise kurz vor der Frühpensionierung die Ausbildungskosten von mehr als 500’000 zurückzahlen kann.»
Und: «Es sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob es nicht eine Mindestzeit an geleisteten Dienstjahren bei kostenintensiven Studiengängen geben sollte.»
Der junge Assistenzarzt schliesst nicht ganz aus, später einmal wieder zu arbeiten. Schliesslich wünsche er sich Kinder, und für eine ganze Familie reiche sein künftiges Einkommen nicht. Ein 20-Prozent-Pensum etwa könnte er sich vorstellen. Vielleicht werde er irgendwann gar wieder als Arzt tätig sein. «Einfach zu meinen Bedingungen.»

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