Droht Mammografie-Not? Radiologen widersprechen Bundesrat

Tiefere Tarife werden das Angebot für Mammografie-Screenings nicht sabotieren – meint die Landesregierung. Doch, das werden sie – meint die Gesellschaft für Radiologie.

, 27. August 2024 um 22:11
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Benötigt mehr Zeit: Mammografie-Auswertung und Befunderstellung  |  Bild: Medinside (gemacht mit Midjourney).
Der Bundesrat habe Interpretationen und Fakten gemischt. Und er schildere die Lage auf eine Art, die «nicht den tatsächlichen Gegebenheiten» entspricht.
So kritisiert die Schweizerische Gesellschaft für Radiologie eine Antwort der Landesregierung. Der Bundesrat reagierte darin auf eine Interpellation von Nationalrätin (und Ärztin) Brigitte Crottaz, welche ihrerseits die Befürchtung angemeldet hatte, dass bei den Mammografie-Screenings ein Abbau droht.
Denn der Tardoc, so die Überlegung, werde die Vergütung solcher Untersuchungen verschlechtern. Damit würden Mammografien zum Verlustgeschäft; private Radiologie-Institute dürften das Interesse verlieren, sie durchzuführen. Also müssten öffentlichen Einrichtungen in die Bresche springen – doch die stossen selber schon an ihre Kapazitätsgrenzen.

«Direkter Vergleich nicht möglich»

So weit die Befürchtung. Der Bundesrat widersprach in der vergangenen Woche. «Ein direkter Vergleich zwischen Tarmed und Tardoc in Bezug auf das beidseitige Mammografie-Screening mit Erstbeurteilung ist nicht möglich, da sich die Tarifpositionen nicht 1:1 von einer Struktur auf die andere übertragen lassen», so die Antwort.
Auch seien die Leistungen in bestimmten Tarmed-Bereichen überbewertet; sie müssten daher von den Tarifpartnern korrigiert werden.
«Hinweise auf überbewertete Leistungen bestehen insbesondere im Bereich der Radiologie», präzisierte die Landesregierung: «Diese Überbewertung ist vor allem auf den medizinisch-technischen Fortschritt seit der Einführung von Tarmed im Jahr 2004 zurückzuführen.» Und folglich sollte sich diese Entwicklung in den Tarifen niederschlagen.

Dauer unverändert

Das wollte und will die Radiologengesellschaft SGR-SSR nicht stehen lassen. Zwar habe es in der Mammographie in den letzten Jahrzehnten durchaus qualitative Fortschritte gegeben, so ihr Communiqué: «Es gab jedoch keine effizienzsteigernden resp. beschleunigenden Innovationen. Die Untersuchungen dauern somit unverändert lange und nehmen zwischenzeitlich mehr Zeit für die Befundung in Anspruch. Dies nicht zuletzt aufgrund ausufernden administrativen Vorgaben».
Auch seien die wachsenden Investitionen in die Geräte und die Informatik nicht in den Tarifen abgebildet. Und schliesslich sei die Auswertung der Mammografie-Bilder deutlich aufwändiger geworden.

Gefahr besteht

Kurz: Der Zeitbedarf einer klassischen Mammographie-Untersuchung blieb weitgehend unverändert, während die Dauer der Untersuchung und die Auswertung und die Befunderstellung viel mehr Zeit beanspruchen.
Doch der Zeitansatz für die ärztliche Tätigkeit bei einer Screening-Untersuchung wird im Tardoc von 13 auf 6 Minuten pro Untersuchung gekürzt.
Das Fazit der Radiologen: In der Tat bestehe die Gefahr einer breiten Angebotsschmälerung – und damit auch einer Schwächung von qualitätsfördernden Investitionen. Dies zumal der Bundesrat die Tarife der Radiologie bereits bei seinen Tarifeingriffen 2014 und 2018 reduziert hatte.
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