Diagnosehilfen: KI kocht auch nur mit Wasser

Ein Team des Inselspitals Bern untersuchte erstmals die Wirkung eines KI-gestützten Diagnosesystems in der Akutmedizin. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

, 4. Februar 2025 um 06:03
image
KI-Symbolbild: Medinside
Eine Gruppe von Inselspital-Medizinern erarbeitete die weltweit erste Studie, die der Wirkung eines KI-basierten Diagnosesystems in der Akutmedizin nachging. Die Untersuchung unter der Leitung von Wolf Hautz von der Berner Universitätsklinik für Notfallmedizin erfasste 1’200 Patientinnen und Patienten, die 2022 und 2023 mit unspezifischen Beschwerden in vier Schweizer Notaufnahmen behandelt worden waren. Die untersuchenden Ärzte sahen sich dabei etwa mit Ohnmacht, Bauchschmerzen oder Fieber unbekannter Ursache konfrontiert.
Dabei nutzten sie teilweise das KI-basierte System «Isabel Pro», das sie bei der Diagnosestellung unterstützte. In den Kontrollphasen wurden hingegen Diagnosen ohne technische Hilfsmittel gestellt.
Die Qualität der Diagnose wurde daran gemessen, ob die Patienten innerhalb von 14 Tagen nach der Behandlung ungeplante medizinische Nachsorge benötigten, ob Diagnosen im Nachhinein geändert wurden, ob eine unerwartete Intensivaufnahme erforderlich war oder ob es zu Todesfällen kam.
Siehe da: In den beiden Gruppen respektive Phasen unterschieden sich die Ergebnisse kaum.
Sowohl mit als auch ohne KI-basierte Diagnoseunterstützung trat bei 18 Prozent der Patienten ein diagnostischer Mangel auf. Auch bei anderen Qualitätskriterien konnte das Berner Team keine Unterschiede feststellen – also weder bezüglich schweren unerwünschten Ereignissen noch beim Ressourcenverbrauch, gemessen in Schweizer Franken.
«KI-basierte Diagnoseunterstützung hat in der Notfallmedizin keinen für die Patientinnen und Patienten messbaren Effekt. Unabhängig davon, ob man nach medizinischen, ökonomischen oder prozeduralen Unterschieden schaut», kommentiert Wolf Hautz die Ergebnisse.
Zumindest die derzeit verfügbare KI werde das Problem der Fehldiagnosen nicht lösen: «Wir müssen andere Lösungsansätze verfolgen, um die Diagnosequalität zu verbessern, und insbesondere die Forschung zu diesem Thema, die aktuell in den Kinderschuhen steckt, erheblich intensivieren.»

Zur Mitteilung der Universität Bern


  • digital & ki
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

KI in der Medizin? Klar, kein Problem.

Dr. KI auf dem Vormarsch: Künstliche Intelligenz wird in der Bevölkerung zunehmend akzeptiert – für Diagnosen, Zweitmeinungen und zur Früherkennung. Dies besagt eine repräsentative Erhebung in Deutschland.

image

KSW plant Einsatz von Secondhand-Lizenzen

Um Kosten zu sparen will das Kantonsspital Winterthur gebrauchte Microsoft-Lizenzen beschaffen.

image

Shape sensing roboter-assistierte Bronchoskopie

Eine aktuelle Studie am Universitätsspital Zürich zeigt: Shape sensing roboter-assistierte Bronchoskopie (ssRAB) mit dem Ion Endoluminalsystem erzielt dreifach höhere Diagnoserate bei kleinsten Lungentumoren als herkömmliche Bronchoskopie-Methoden.

image

KI in der Augenheilkunde: Der neue Kollege, den niemand einarbeitet

Künstliche Intelligenz kann Netzhautbilder zuverlässig analysieren. Trotzdem kommt sie im Praxisalltag selten zum Einsatz, wie eine Befragung im DACH-Raum zeigt.

image

Weniger Notfall, mehr Sicherheit: Telemedizin unterstützt Spitex-Teams im Aargau

In einem Pilotprojekt testen Medgate und zwei Spitex-Organisationen den Einsatz von telemedizinischer Expertise in den Wohnungen der Klienten. Sensorikgeräte liefern dabei entscheidende Daten in Echtzeit.

image

Vom Bestellbüro zum Werttreiber

Interview von Unite mit Christian Offergeld, Strategie- und Managementberater für Spitäler bei Unity Schweiz AG , über die notwendige Transformation und Digitalisierung der Beschaffung in Spitälern

Vom gleichen Autor

image

Stadtspital Zürich: Neuer Chef für die Innere Medizin

Andreas Schoenenberger wechselt von der Thurmed-Gruppe ans Stadtspital. Er wird damit auch Mitglied der Spitalleitung.

image

Knie- und Hüftimplantate: Immer weniger Folgeeingriffe nötig

Die 2-Jahres-Revisionsraten bei Hüft- und Knieprothesen sinken weiter leicht oder bleiben stabil. Die Daten deuten eine zunehmend einheitliche Versorgungsqualität in der Schweiz an.

image

Mehr Pflegepersonal = weniger Ärzte-Burnout

Eine grosse Erhebung in sieben Ländern zeigt: Dort, wo Pflege stark vertreten ist und Arbeitsumgebungen stimmen, bleiben Ärztinnen und Ärzte länger im Beruf.