Wegen der Covid-Pandemie gingen in der Schweiz rund 140’000 Lebensjahre verloren. Zum Vergleich: Im Nachbarland Österreich lag dieser Lebensverlust bei rund 350’000 Jahren.
Dies besagt eine grosse Datenerhebung, die ein Team aus britischen, amerikanischen, finnischen und polnischen Forschern am Dienstag veröffentlicht hat.
Die Wissenschaftler nahmen dabei Gesundheits- und Mortalitätsdaten aus 18 europäischen Staaten, in denen insgesamt 289 Millionen Menschen leben. Ausgewertet wurden Angaben zur Bevölkerung im Alter über 35 respektive zu den Jahren 2020 bis 2022. Und konkret berücksichtigte das Team um Sara Ahmadi-Abhari, Abbas Dehghan, Paul Elliott und Mika Kivimaki auch Veränderungen im allgemeinen Gesundheitszustand.
Dabei wurde unterschieden zwischen Todesfällen, die Covid-19 zugeschrieben werden konnten, und anderen Todesursachen. Auf dieser Basis errechneten die Wissenschaftler diverse Einschätzungen zur Frage, wie viele Lebensjahre noch möglich gewesen wären, wenn die Pandemie nicht über Europa gekommen wäre (➡️
zur Methodik).
Die Hochrechnung ergab, dass in den erfassten Jahren gut 16,8 Millionen Lebensjahre verlorengingen (95 Prozent Konfidenzintervall, 12.0 bis 21.8 Millionen). Dabei konnten 11.6 bis 13.2 Millionen verlorene Lebensjahre direkt Covid-19 zugeschrieben werden, während 3.6 bis 5.3 Millionen Jahre wegen einer erhöhten Mortalität verloren gingen – also nicht direkt wegen der Viruserkrankung, sondern beispielsweise durch verzögerte Krebsbehandlungen (allerdings auch bei einem Rückgang bei den Grippe-Todesfällen).
Verlorene Lebensjahr pro 1'000 Einwohner, Personen mit oder ohne vorbestehende Behinderungen. Grafik: aus d.zit. Studie.
Auffällig und politisch brisant sind nun die grossen Unterschiede zwischen den diversen Ländern:
- Am besten schnitt Schweden mit 20 verlorenen Jahren pro tausend Menschen ab; am drastischsten waren die Verluste in Estland mit einem statistischen Wert von 109 Jahren pro tausend Menschen.
- Tendenziell war Osteuropa stärker betroffen, was mit einer allgemein etwas dünneren medizinischen Versorgung zusammenhängen könnte.
- Deutschland findet sich im Mittelfeld (nachdem es in der Anfangsphase der Pandemie noch schien, dass es mit weniger Opfern durch die Krise kommen würde als beispielsweise Italien oder Frankreich).
- Auffällig ist, dass nicht nur (ausgerechnet) Schweden mit einem Spitzenwert herausragt – sondern dass mit Dänemark und der Schweiz zwei weitere Staaten speziell gut dastehen, die auf eine eher freiheitliche Quarantäne-Politik setzten. Auch eine hohe Impfquote und ein hohes Pro-Kopf-Einkommen korrespondierten mit besseren Werten.
Das Forscherteam selbst thematisiert diesen Aspekt allerdings nicht. In ihrer «Discussion» stellen die Autoren vielmehr ins Zentrum, dass der Anteil der verlorenen Jahre, die wegen Nicht-Covid-Ursachen verloren gingen, von 2020 bis 2022 beträchtlich anstieg; hier zeichnen sich also Langfristprobleme ab.
Ein wichtiger Aspekt der Resultate ist auch, dass der allergrösste Teil der verlorenen Jahre auf Menschen entfiel, die bereits über 80 Jahre alt waren: Deren Anteil betrug 60 Prozent. Und 30 Prozent der «person-years of life lost» entfielen auf die Altersgruppe zwischen 65 und 80.