Während der Coronavirus-Pandemie standen die Pflegeheime in der Schweiz im Zentrum der Krise. Diese Einrichtungen, wo die am stärksten gefährdeten Personen untergebracht waren, wurden zu Infektionsherden und zu Schauplätzen für nichtpharmazeutische Interventionen (NPI) wie Kontaktsperren. In der Schweiz entfielen fast die Hälfte aller Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus auf Pflegeheime.
Eine neue Studie beschäftigte sich mit der Frage, wie die Genfer Pflegeheime mit der Situation umgingen. Durch eine Kombination von qualitativen und quantitativen Ansätzen versuchten die Forscher nicht nur zu verstehen, welche NPIs umgesetzt wurden, sondern auch, wie diese wahrgenommen wurden und wie sie sich auf die Ausbreitung des Virus auswirkten.
«Pflegeheime mit strengen Richtlinien erzielten nicht unbedingt bessere Ergebnisse bei der Infektionskontrolle als solche mit weniger strengen Richtlinien.»
In der ersten Welle standen die Genfer Pflegeheime vor dieser Herausforderung: Wie konnten sie die Bewohner schützen und gleichzeitig Lebensqualität erhalten? Die Studie untersuchte 12 der 25 in Frage kommenden Heime, also etwa ein Fünftel der Genfer Pflegeheime, die alle denselben gesundheitspolitischen und sozioökonomischen Standards unterliegen.
Interviews mit Ärzten und Heimleitern beleuchteten die unterschiedlichen Strategien. Einige Pflegeheime führten strikte Besuchsverbote ein und reduzierten die sozialen Aktivitäten, in der Hoffnung, die Kontakte und die Übertragung des Virus einzuschränken. Andere setzten auf einen gemässigteren Ansatz.
Kann man daraus eine ideale Strategie ableiten, die einen wirksamen Schutz bietet, ohne das Wohlbefinden der Bewohner zu beeinträchtigen?
«Zu den grössten Problemen gehörte, dass das Personal zu wenig systematisch getestet wurde.»
Wichtigste Schlussfolgerung der Studie: Es konnte keine eindeutige Korrelation zwischen dem Grad der Einschränkung von NPI und der Inzidenz von Covid-19 bei den Bewohnern festgestellt werden. Einige Pflegeheime mit strengen Richtlinien erzielten nicht unbedingt bessere Ergebnisse bei der Infektionskontrolle als solche mit weniger strengen Richtlinien.
Zu den grössten festgestellten Problemen gehörte, dass das Personal zu wenig systematisch getestet wurde. 41 Prozent der Pflegeheime hatten kein formelles Testverfahren.
Frühere Studien legen jedoch nahe, dass das Pflegepersonal, insbesondere wenn es in mehreren Heimen arbeitet, die Hauptinfektionsquelle ist – weit mehr als die Bewohner selbst.
Diese Beobachtung wirft eine zentrale Frage auf: Mussten die Einschränkungen für die Bewohner wirklich verstärkt werden? Oder wäre es sinnvoller gewesen,
Strategien für das Personal zu entwickeln, wie etwa regelmässige Testungen?
In einigen französischen Einrichtungen ergriffen die Mitarbeiter radikale Massnahmen ergriffen und schlossen sich freiwillig mit den Bewohnern ein, um eine Ansteckung von aussen zu verhindern. Die Infektionsraten waren deutlich niedriger als in anderen Einrichtungen
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«Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit nuancierter und anpassungsfähiger Strategien bei zukünftigen Gesundheitskrisen.»
Neben der Infektionskontrolle beleuchtet die Studie auch eine andere Realität: den Druck auf die Ressourcen und das Personal. Da es an persönlicher Schutzausrüstung mangelte, mussten einige Pflegekräfte in 12-Stunden-Schichten die gleiche OP-Maske tragen, was nicht nur das Risiko einer Infektion erhöhte, sondern auch Stress und Müdigkeit.
Gleichzeitig hatten die Besuchsbeschränkungen grosse emotionale Auswirkungen auf die Bewohner und ihre Angehörigen. Zwar konnten sie die Übertragung des Virus eindämmen, aber sie verstärkten auch die soziale Isolation und ihre psychologischen Auswirkungen.
Die Studie verdeutlicht die komplexe Gleichung zwischen Gesundheitsschutz und psychologischem Wohlbefinden und unterstreicht die Notwendigkeit nuancierter und anpassungsfähiger Strategien bei zukünftigen Gesundheitskrisen.
Die Erfahrungen der Genfer Pflegeheime veranschaulichen ein universelles Dilemma: Wie lassen sich Infektionskontrolle und Lebensqualität in der Langzeitpflege miteinander vereinbaren? Die Studie legt nahe, dass ein strengeres Testen des Personals und eine bessere Materialverteilung wirksamer sein könnten als allgemeine Einschränkungen für die Bewohner.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es keine Patentlösung gibt. Ein starrer, einheitlicher Ansatz scheint weit davon entfernt, die ideale Antwort zu sein – umgekehrt könnte sich eine gewisse Flexibilität, die den Pflegeheimen eingeräumt wird, als wertvoll erweisen.