Eine Reportage der Sendung
«Temps Présent» des Fernsehkanals RTS prangerte kürzlich divers Missstände in Spitälern der Westschweiz auf: Danach gedeihen dort Machtspiele und sexuelle Erpressung in einem Klima des Schweigens. Das Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV) reagiert nun und bekräftigte seine Politik der Null-Toleranz gegen sexuelle Belästigung und Mobbing.
In einem Interview mit RTS kündigte das CHUV neue Präventionsmassnahmen an, die ab diesem Sommer umgesetzt werden sollen. Dazu gehören
- die Einrichtung einer telefonischen Anlaufstelle für das Personal,
- anonyme Umfragen über das Arbeitsklima,
- systematische Ermittlungen.
Eine Zusammenarbeit mit der Ermittlungsgruppe der Staatskanzlei des Kantons Waadt ist ebenfalls geplant.
Allerdings hatte die Organisation bereits 2018 behauptet, dass Nulltoleranz herrsche. Von RTS darauf angesprochen, meint Gianni Saitta, interimistischer Betriebsleiter des CHUV, Lücken: «Die Ziele waren klar, aber die internen Prozesse waren nicht ausreichend strukturiert, um eine schnelle und effiziente Reaktion zu gewährleisten. Das müssen wir jetzt korrigieren.»
Die neue Meldestelle ist der Generaldirektion des CHUV angegliedert. Insgesamt soll sie eine bessere Bearbeitung von Beschwerden garantieren. Obendrein soll sie jedoch auch die Möglichkeit haben, die Geschäftsleitung zu umgehen, wenn diese keine Massnahmen ergreift, so Saitta.
Fragen zur Unabhängigkeit
Einige Stimmen fordern noch mehr. Die kantonale FDP-Abgeordnete Élodie Golaz Grilli plädierte auf RTS für eine vollständige Auslagerung der Hotline, um ein vertrauensvolles Klima für die Angestellten zu gewährleisten. Sie reichte im Waadtländer Grossen Rat ein Postulat ein, das zudem ein externes Audit fordert.
RTS berichtet, dass die Bearbeitung einer Untersuchung über Belästigung, bei der es um 15 Beschwerden in einer Abteilung ging, um ein Jahr verzögert wurde. Warum diese lange Wartezeit?, fragte der Sender: «Eine beschuldigte Person ist immer noch im Amt und kann die Karriere derjenigen, die ausgesagt haben, noch beeinflussen: Ist das normal?», so die Frage. Saitta antwortete, dass von den vier in der Reportage erwähnten Fällen eine Person die Einrichtung verlassen habe, während die anderen noch untersucht würden. Er betonte, dass vor jeder Sanktion genügend Beweise gesammelt werden müssten.
Bekämpfung der Straflosigkeit
Es ist offensichtlich, dass es auch um die Betriebskultur geht: «Die Kultur wird sich durch die vorhandenen Führungskräfte ändern müssen», so Saitta im RTS-Beitrag. Doch von zentraler Bedeutung bleiben die Sanktionen: Wie kann man etwas offenlegen, wenn die Täter nicht behelligt werden? Saitta erklärt: «Es müssen auch Leitplanken gesetzt werden, damit die Karriere einer Person, sowohl die akademische als auch die berufliche Karriere, nicht in den Händen einer einzigen Person liegt.»
Ein Fall, über den RTS berichtete, zeigt die Grenzen der derzeitigen Null-Toleranz-Politik auf: die Beförderung eines Abteilungsleiters trotz einer Verurteilung wegen Belästigung. Doch so etwas werde «in Zukunft nicht mehr möglich sein», so Saitta.
Die Opfer nicht vergessen
David Gygax vom VPOD Waadt zeigte sich wenig überzeugt: «Derzeit sind es nur Worte», sagt der Gewerkschaftssekretär auf RTS. «Was neu ist, ist die Öffentlichkeit, die dem Ganzen gegeben wurde, und die Verwaltung des Images des CHUV durch die heutige Generaldirektion.»
Gygaz betonte auch, wie wichtig es sei, die Opfer nicht zu vergessen: «Sie existieren. Sie haben eine berufliche Karriere, die manchmal zerstört wurde, sie haben Leben, die manchmal zerstört wurden.» Da die Nulltoleranz schon vor Jahren ausgerufen wurde, fragt Gygax: «Warum glauben wir heute, dass sie effektiver ist?»
Nur eine Politik der effektiven Bestrafung von Mobbing-Tätern könne solchen Missbrauch eindämmen.
RTS «Forum»: Interview mit Gianni Saitta und mit David Gygax (VPOD Waadt), 26. Februar 2025.
Die Reportage dahinter: «Harcèlement à l'hôpital, silence sous la blouse»: Temps Présent, RTS-Sendung vom 30. Januar 2025. Dauer: 47:30 Minuten.