BAB: Natalie Rickli zieht die Reissleine

Die Zürcher Amt für Gesundheit plante, für das Spitex-Pflegepersonal breitgefächert Berufsausübungs-Bewilligungen zu verlangen. Nun ist der Vorgang sistiert.

, 28. November 2024 um 07:08
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Typische Spitex-Arbeitsgeräte: Wenn man zur Kundschaft fährt, arbeitet man dann in eigener fachlicher Verantwortung?  |  Bild: Chriguvo / Pixabay CC
Die Idee hatte es in sich: Die Amt für Gesundheit des Kantons Zürich kündigte im Sommer an, dass ab Februar 2025 alle Pflegefachpersonen in Spitex-Organisationen noch eine Berufsausübungs-Bewilligung beantragen müssen – ganz gleich, ob sie einen HF-, FH- oder APN-Abschluss haben.
Zugleich baute der Kanton in den Spitälern neue Anforderungen auf. Künftig sollen Abteilungsleitungen in der Pflege ebenfalls solch eine Bewilligung erlangen, nicht nur Chief Nurse Officers.
Die Anforderung und das Startdatum ergaben sich aus dem nationalen Gesundheitsberufe-Gesetz, bei dem eine Übergangsbestimmung nächstes Jahr abläuft. Darin fordert der Bund solch eine BAB auch von Pflegefachpersonen, die eigenverantwortlich tätig sind.
Wobei eine Kernfrage lautet, wie eng oder weit diese «eigene fachliche Verantwortung» definiert wird. Gilt das eventuell für alle in der Spitex-Pflege?
In Zürich schlugen die Behörden nach ersten Protesten aus der Branche dann vor, dass lediglich Spitex-Angestellte mit Pensen über 50 Prozent das BAB-Verfahren bewältigen müssen. Doch dies entschärfte diverse Problem nur teilweise – zum Beispiel, dass das Verfahren Anstellungen verzögert und neue bürokratische Aufwände schafft.

Lösung bis im Januar

Wie das Amt für Gesundheit jetzt aber gegenüber diversen Verbänden und der kantonalen Gesundheitskonferenz mitteilt, werden diese Pläne sistiert: Man sucht eine neue Lösung.
Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli habe das zuständige Amt beauftragt, «die Praxis zu überprüfen mit dem Ziel, ein unbürokratisches Vorgehen zu erarbeiten, welches die Bundesvorgaben erfüllt, die Patientensicherheit stärkt, gleichzeitig aber auch die bereits bestehenden Qualitätssicherungsmassnahmen der Betriebe anerkennt.»

«…nach bestem Wissen»

Auf diesen letzten Punkt hatte der Pflegepersonal-Verband SBK Zürich/Glarus/Schaffhausen jüngst in einer Protestnote hingewiesen – nämlich dass die BAB-Pläne der Zürcher Behörden das Verantwortungsbewusstsein und die Qualitätssicherungen der Betriebe wie auch des Pflegepersonals ignoriere:
«Pflegefachpersonen verfügen über eine qualifizierte Berufsausbildung und handeln nach bestem Wissen und eigenverantwortlich für ihre Kund:innen/Patient:innen», so des Statement von Mitte Oktober. «Beispielsweise verfügt jede Spitexorganisation über ein Fehlermeldesystem (CIRS), ein Hygiene- und Qualitätskonzept (QMS) sowie fachliche Supervision und/oder Support durch Pflegeexpert:innen. Komplexe Patientensituationen werden regelmässig im Fachteam reflektiert und auch mit den zuständigen Hausärzt:innen besprochen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Spitäler, Heime und Kliniken im Kanton Zürich.»
Nun will das Amt im Januar 2025 über die weiteren Schritte informieren: «In der Zwischenzeit sind keine Gesuche seitens der in Spitex-Institutionen tätigen Pflegefachpersonen einzureichen.»
Das Gesundheitsberufegesetz des Bundes gilt seit 2020 und sieht vor, dass beispielsweise Pflegefachleute oder Physiotherapeutinnen, Hebammen oder Ergotherapeuten eine Bewilligung benötigen, sofern sie «in eigener fachlicher Verantwortung» arbeiten – respektive wenn sie nicht unter der fachlichen Aufsicht eines Angehörigen desselben Berufes mit BAB tätig sind.

30'000 Pflegefachleute – rechne

Es liegt an den Kantonen, das zu deuten. Im Physiotherapie-Bereich fordert der Verband SwissODP, dass das BAG nun Klarheit schafft und allenfalls gegen Willkür vorgeht; ansonsten müsse die Sache wohl durch die Gerichte geklärt werden.
Im Spitex-Bereich ist die Umsetzung bei rund 30’000 Pflegefachleuten im ganzen Land von spezieller Bedeutung. Einerseits verschärft das Bewilligungsverfahren das Problem des Fachkräftemangels, weil es Neuanstellungen um bis zu zwei Monate verzögert. Andererseits fordern die Kantone für solche Bewilligungen auch noch Gebühren: Laut dem Preisüberwacher liegt der nationale Mittelwert dafür bei 446 Franken; der Kanton Zürich will 800 Franken.
Kurz: Es geht um einen Mechanismus, bei dem alleine im Spitex-Bereich weit über 10 Millionen Franken von den Leistungserbringern in die Verwaltung fliessen könnten.
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