Das Corona-Fazit des Epidemie-Experten

Mehr Daten und weniger Verschwörungstheorien: So die Bilanz des Epidemiologen Marcel Salathé. Er leitete das Covid-19-Forschungsprogramm.

, 15. November 2023 um 08:05
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Marcel Salathé im Mai 2022 in einem TV-Interview. | SRF
Zweieinhalb Jahre liess die Schweiz in einem Nationalen Forschungsprogramm zu Covid-19 forschen und investierte dafür 20 Millionen Franken. Der Epidemiologe Marcel Salathé hat das Programm geleitet.
Jetzt resümierte der Lausanner Professor gegenüber den Tamedia-Zeitungen, was in der Schweiz ändern sollte. Eines seiner Hauptanliegen: Die Schweiz müsste die Gesundheitsdaten von 100'000 Menschen langfristig beobachten dürfen.

«Es braucht eine Kohorte»

Mehr Patientendaten: Im Interview kritisiert Salathé, dass es in der Schweiz zu wenig Forschungsgrundlagen gibt. «Was hierzulande insbesondere fehlt, sind langfristig erhobene Patientendaten, um Kohortenstudien durchführen zu können», sagt er. Hätte die Schweiz eine langfristige Kohorte von 100'000 Menschen, könnten Forschende mit deren Gesundheitsdaten viele Fragen beantworten. «Long-Covid ist ein Paradebeispiel. Dieses Krankheitsbild könnten Forschende viel besser mit bestehenden Kohorten-Daten studieren. So muss man immer wieder von vorne anfangen.»
Mehr Digitalisierung: «Die Pandemie hat deutlich unsere Schwäche in der Digitalisierung offengelegt», sagt Salathé. Grossbritannien oder Dänemark hätten bessere Datenanalysen zum Verlauf der Pandemie gehabt. Das hätte auch die Schweiz besser machen können. Deshalb müsse die Schweiz nun in die Digitalisierung und in die Erhebung von Gesundheitsdaten investieren.
Weniger Verschwörungstheorien: «Ich denke, wir haben das Phänomen unterschätzt», räumt Salathé zu diesem Thema ein. Erstaunt hat ihn, «dass es Leute gibt, die nicht zu Diskussionen bereit sind, weil sie Forschende als Teil des Problems wahrnehmen». Er mahnt aber auch: «Wir müssen aufpassen, dass der Begriff Verschwörungstheorie nicht zum Kampfbegriff wird. Kritik darf und muss es geben.»

Die Covid-Bilanz: NFP 78

2020 startete die Schweiz das Nationale Forschungsprogramm 78 (NFP 78) zu Covid-19. Es soll mehr Aufschluss geben über die Übertragungswege des Virus, damit seine Ausbreitung eingedämmt werden kann. Ausserdem müssen neue Impfstoffe, Arzneimittel und Diagnosemöglichkeiten entwickelt werden. Kürzlich ist der Schlussbericht erschienen.

  • Es ist Zeit, mit der sozialen Verarbeitung von Corona zu beginnen, schreibt Beda Stadler. Wissenschaftler sollten dabei vorangehen.
  • «Die Schweiz war und ist nicht frei in ihren Entscheiden»: Ein rückblickendes Interview mit 'Mr. Corona' Daniel Koch.

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