3D-Druck in der Medizin auf dem Vormarsch

Immer häufiger kommen Implantate, chirurgische Schnittblöcke und sogar Zellen aus dem 3D-Drucker.

, 20. November 2023 um 23:00
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Am 3-D Print Lab der Universität Basel wurde unter anderem eine künstliche Schädeldecke gedruckt.| usb
Das Basler Unispital hat einem Patienten unlängst eine künstliche Schädelplatte implantiert, die aus dem spitaleigenen 3D-Drucker gekommen war.
Und aktuell sorgt die erste vollständige Augentransplantation mit 3D-Drucktechnologie weltweit für Aufsehene. Am NYU Langone Health Hospital in New York wurden dazu unter anderem die medizinische Geräten gedruckt, so dass diese perfekt auf den Spender und den Patienten zugeschnitten waren. Dadurch konnte die Operation nicht nur schneller, sondern auch präziser durchgeführt werden.
Die medizinische Hochschule Hannover wiederum hat erstmals einer Patientin ein per 3D-Druck gefertigtes Ohr-Implantat mit Medikamentenfreisetzung eingesetzt.
Die jüngsten Beispiele zeigen: Es tut sich einiges in der medizinischen Anwendung des 3D-Drucks.
Grundsätzlich lässt sich mit 3D-Druckern alles Mögliche schnell und massgeschneidert herstellen; so Implantate, chirurgische Schnittblöcke und sogar Zellen.
Dabei zeigen sich derzeit sich vorallem zwei Trends:
  • Die personalisierten Medizin. Implantate können auf der Basis von radiologischen Daten massgeschneidert gefertigt werden. Australische Forschende zeigten kürzlich (anhand von Koffein-Tabletten), dass 3D-Drucker sich eignen könnten, um Pillen mit exakt auf den Körper abgestimmten Wirkstoffmengen zu produzieren.
  • Die Herstellung extrem komplexer anatomischer Formen – zum Beispiel für die Operationsplanung. So lassen sich mitt einem 3D-Drucker in einem Arbeitsschritt Formen erstellen, für die man mit herkömmlichen Fertigungsmethoden viele Schritte benötigt.
Eine Vorreiterrolle für den 3D-Druck im Schweizer Spitalalltag nimmt das Universitätsspital Basel (USB) ein. Dort haben der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg Florian Thieringer und der Radiologe Philipp Brantner vor knapp zehn Jahren das «3-D Print Lab» gegründet. «Sehr viele Objekte, die wir täglich herstellen, sind anatomische Anschauungsmodelle für die Operationsplanung», sagte Florian Thieringer gegenüber der «Schweizerischen Ärztezeitung». Basierend auf den radiologischen Bilddaten eines Patienten würden exakte Kopien ihrer Anatomie entstehen.
Zudem werden am USB patientenspezifisch geformte Implantate aus dem 3D-Drucker eingesetzt. «In der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ist ihr Einsatz inzwischen etabliert», so Thieringer.

Modelle zur Planung

Auch die Universitätsklinik Balgrist setzt schon seit mehreren Jahren auf 3D-Druck – hier vor allem zur Unterstützung der Behandlung und Korrektur von Knochen-Fehlstellungen. Eine zweite wichtige Anwendung des 3D-Drucks am Balgrist ist die Eingriffsplanung mittels dreidimensionaler anatomischer Modelle.
Die medizinische Fachkompetenz ersetzen können die Hilfsmittel aber nicht. «Es braucht ein Zusammenspiel von Chirurginnen und Technikern», sagt Bastian Sigrist, stellvertretender Leiter des Zentrums für 3D-OP-Planung und 3D-Druck am Balgrist gegenüber der SAEZ.
Die Weiterentwicklung der Technik ist auch am Universitätsspital Basel ein grosses Thema. Florian Thieringers nächstes Ziel ist es, neben Schädeldachimplantaten auch Implantate für die Gesichtsrekonstruktion und für die Wirbelsäule im Haus zu drucken.

Bioprinting

Zudem denkt Thieringer bereits über neue Materialien nach: «Wir möchten künftig auch Titan für die Herstellung von Implantaten am Spital einsetzen.» Und spannend seien resorbierbare Materialien – also solche, die sich beispielsweise nach dem Zusammenwachsen eines Knochens im Körper auflösen und eine Folgeoperation zur Entfernung des Implantats überflüssig machen könnten.
Für den 3D-Druck eignen sich sogar lebende Zellen, wie das sogenannte Bioprinting zeigt. Dabei wird eine Mischung aus lebenden Zellen und einem Biomaterial wie etwa Gelatine gedruckt. Mit bestimmten Techniken bringen Wissenschaftler dieses Vorgewebe dann dazu, zu einem Gewebe heranzureifen. Diese Technik steckt allerdings noch in der Forschungsphase.

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