2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.
Zu viel und schlechte Regulierung ist schlecht fürs Portemonnaie und für die Gesundheit
An einer Tagung der Plattform Qualitätsmedizin Schweiz warf Fridolin Marty, Gesundheitsökonom bei Economiesuisse, einen kritischen Blick auf die jüngsten, schädlichen Revisionen des Krankenversicherungsgesetzes und forderte einen «Reset».
, 19. November 2022 um 07:00- Der Nutzenzuwachs für die Patienten muss im Mittelpunkt stehen.
- Der Wettbewerb muss sich am medizinischen Ergebnis orientieren und den Patientennutzen verbessern. Ergebnisdaten müssen breit verfügbar und vergleichbar sein.
- Die Integration des Behandlungszyklus ist nötig.
- Nutzensteigernde Innovation muss sich lohnen. Hohe medizinische Qualität führt zu enormen Effizienzsteigerungen.
- Patientennutzen entsteht durch Erfahrung, hohe Patientenzahlen und Lerneffekte.
- Integrierte und interdisziplinäre Einheiten («Integrated Practice Units», IPUs) müssen aufgebaut werden.
- Kosten und Ergebnisse müssen ganzeitlich gemessen werden.
- Die Bezahlung der Einzelleistungen und Pauschalen muss in Richtung pauschaler Vergütungen ganzer Behandlungszyklen oder ganzer Populationen verändert werden.
- Noch mehr integrierte Versorgungssysteme müssen aufgebaut werden.
- Die Leistungen integrierter Versorgungszentren müssen geographisch erweitert werden.
- Eine grundlegende ICT-Plattform (heute: digitales Gesundheitsdaten-Ökosystem) muss aufgebaut werden
- ohne direkte Steuerung der Marktergebnisse;
- ohne direkte Markteingriffe (ohne Zulassungs und Mengenbeschränkungen), aber mit Anreizen für Effizienz und Qualität;
- mit Subjektfinanzierung statt Objektfinanzierung (Institutionen, Branchen- und Berufsverbände sollen nicht subventioniert oder begünstigt werden, aber Versicherte, die finanzielle Unterstützung brauchen), nach dem Subsidiaritätsprinzip gemäss Bundesverfassung und mit Bevorzugung dezentraler Lösungen gegenüber zentralistischen (z.B. bei der Qualitätsentwicklung);
- die Mehrfachrollen der Kantone (u.a. als Eigentümer, Auftraggeber, Kontrolleur und Zahler) sind zu beseitigen oder mindestens ihre schädlichen Auswirkungen sind durch bessere Governance zu minimieren (z.B. Spitallisten, Mindestfallzahlen) und die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen ist zu entflechten (z.B. Prämienverbilligung);
- Regulierungsversagen darf nicht durch neue Regulierung bekämpft werden, sondern bestehende Regulierung muss sauber umgesetzt werden (z.B. Qualitätsstrategie) und Reformvorschläge sollen mit einer Regulierungsfolgeabschätzung begleitet werden, auch auf Verordnungsstufe;
- Abläufe mit den Behörden im Bereich Konsultationen und Weisungen, Datenlieferungen nach dem «once only-Prinzip» sollen vereinfacht werden, die durchgehende Digitalisierung ist anstreben und Insellösungen sind zu vermeiden;
- das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Regulierung ist ex ante und ex post zu prüfen,
- Kostentransparenz anzustreben und Raum für Selbstregulierung zu schaffen, eine sorgfältige
- Problemanalyse und Zieldefinition im Vorfeld ist entscheidend.
- Keine zentrale Steuerung, aber Buttom-up-Strategien suchen, welche die Motivation fördern und Dienst nach Vorschrift vermeiden;
- keine Datenfriedhöfe produzieren;
- Anspruchsdenken und Erwartungshaltungen klären, nicht alles auf einmal, Prioritäten setzen;
- Mehraufwand nach dem Veränderungsprozess für das medizinische Personal vermeiden;
- falsche Anreize vermeiden (it’s the incentive system, stupid!);
- kein Blaming und Shaming, Transparenz darf nicht zu Ausgrenzung führen, denn es geht um Verbesserung;
- keine Regulierung als Kollektivstrafe für alle, sondern eine Vertrauensbasis schaffen, davon ausgehen, dass jede und jeder einen guten Job machen will.
Mit der VBHC-Strategie gewinnen wir alle und niemand verliert
Artikel teilen
Loading
Comment
Das Aquisekartell der Krankenkassen
Die Branchenvereinbarung der Krankenversicherer ist ein Kartell und sollte verboten und nicht noch vom Bundesrat rechtsverbindlich erklärt werden.
Was Alain Berset immer wieder verschweigt
Unser Gesundheitsminister Alain Berset ist ein begnadeter Kommunikator. Interessant ist, was er jeweils nicht sagt, weil Medienschaffende nicht danach fragen. So auch im NZZ-Interview vom 13. Mai 2022.
Steigende Gesundheitsausgaben – Alarmismus schadet
Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) prognostiziert bis 2040 steigende Gesundheitsausgaben pro Kopf zwischen 45 und 60 Prozent. Nur mit intelligenter Regulierung kann das Wachstum gebremst werden.
Die Mitte manövriert sich mit der Kostenbremse ins Abseits
Die Mitte-Fraktion stimmt seit der Lancierung der Kostenbremse-Initiative fast jeder untauglichen KVG-Revision zu, welche mit noch mehr Bürokratie den Kostenanstieg bremsen möchte und mehr schadet als nützt. Und die GLP folgt ihr.
Krankenkassen – neue Kunden werden teurer
Wir bekommen tatsächlich weniger Werbeanrufe für Krankenkassen, Zeitungsabos oder Weindegustationen als früher. Grund ist eine Branchenvereinbarung der Krankenkassen, die aber auch unerwünschte Nebenwirkungen hat und die Kundenwerbung insgesamt teurer macht.
Gesundheitskosten – kein Grund zur Panik
Zwischen 2010 und 2020 sind die Kosten der mit den Grundversicherungsprämien versicherten medizinischen Leistungen jährlich um 2,5 Prozent pro Kopf gestiegen. Das Parlament sollte Bundesrat Bersets Reformhysterie stoppen und zuerst die Wirkung der beschlossenen KVG-Reformen evaluieren lassen.
Vom gleichen Autor
Ein Gruss aus der sozialistischen Planwirtschaft
Unklare Ziele, diffuse Verantwortung, aber viel Bürokratie: Der Qualitätsartikel im KVG ist ein fehlkonstruiertes Monster.
EPD: Noch mehr Geld und Zwang machen es auch nicht besser
Ein brauchbares elektronisches Patientendossier wäre überfällig. Aber weiterhin sind wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Wie müsste das EPD sein, damit es auch genutzt wird? Warum fehlen viele praktische Features?
«Berset hätte die Fehler von Dreifuss und Couchepin nicht wiederholen dürfen»
Der Krankenkassen-Experte erklärt im Gastbeitrag, weshalb das Bundesamt für Gesundheit bei der Prämiengenehmigung fundamentale Fehler macht.