Die Mitte manövriert sich mit der Kostenbremse ins Abseits

Die Mitte-Fraktion stimmt seit der Lancierung der Kostenbremse-Initiative fast jeder untauglichen KVG-Revision zu, welche mit noch mehr Bürokratie den Kostenanstieg bremsen möchte und mehr schadet als nützt. Und die GLP folgt ihr.

, 2. März 2022 um 16:16
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  • politik
  • felix schneuwly
  • gastbeitrag
Jüngstes Beispiel ist Art. 47c des Krankenversicherungsgesetzes (KVG). Dieser verlangt in den Tarifverträgen ein flächendeckendes Monitoring mit Korrekturregeln je nach Mengenentwicklung. Wenn zum Beispiel die Artzpraxen eines Kantons das vereinbarte, jährliche Mengen- bzw. Kostenwachstum von X Prozent überschritten würden, müsste der Tarif im Folgejahr für alle Arztpraxen des Kantons gekürzt werden. In einem, auf Twitter verbreiteten Video lobt Ruth Humbel den Entscheid des Nationalrats vom 28. Februar, obwohl sie eigentlich als Spital- und Krankenkassenverwaltungsrätin weiss, dass diese Kostensteuerung so nicht funktioniert:
  • Eine Kostenbegrenzung für mehrere, unternehmerisch unabhängige Anbieter wie Arztpraxen und Spitäler funktioniert nicht, weil jeder Anbieter gleich belohnt bzw. bestraft wird, egal ob er sich an die Mengenbegrenzung hält oder nicht. Einige produzieren massiv mehr, andere halten sich an die Begrenzung und für alle sinkt der Preis. Und wenn der Preis für medizinische Leistungen automatisch sinkt, weil Mengenbegrenzungen überschritten werden, verschwindet teure, aber notwendige Medizin eher als lukrative und vielleicht überflüssige. Deshalb sind Kostenziele nur in der integrierten Versorgung sinnvoll, weil dort einzelne medizinische Leistungserbringer und Versicherer die unternehmerische Verantwortung für Kosten und Qualität inkl. Anreize für Outcome statt Menge vertraglich regeln und beide Seiten für Kosteneffizienz sowie Qualität belohnt werden.
  • Auch wenn die Befürworter von Art. 47c und anderer Kostenziele nicht müde werden, das habe nichts mit Globalbudgets und Rationierung zu tun, werden die Beteuerungen mit den Wiederholungen nicht wahrer. Und wer die Kosten staatlich begrenzen will, muss auch den Mut haben, die Versicherungsdeckung zu begrenzen. Mit den richtigen Anreizen kann der Kostenanstieg sehr wohl gebremst werden, wie die 2012 eingeführte Spitalfinanzierung zeigt.
  • Die nationalrätliche Gesundheitskommission (SGK-N) hat eine Subkommission gebildet, welche Alternativen zum in der Vernehmlassung auch von der Mitte massiv kritisierten indirekten bundesrätlichen Kostenbremse-Gegenvorschlag mit den Kostenzielen prüft. Ruth Humbel ist Mitglied dieser Subkommission, welche gute Vorschläge mit Anreizen für Effizienz und Qualität statt Kostenzielen bekommen hat. National- und Ständerät:innen, welche die inhaltlichen Argumente gegen Art. 47c nicht teilen, sollten Art. 47c trotzdem ablehnen, weil sie sich im Rahmen des Gegenvorschlags zur Kostenbremse-Initiative der Mitte eh mit dem Thema Kostensteuerung beschäftigen werden.
  • Der Nationalrat ist am 28. Februar in der ersten Runde der Differenzbereinigung des Sparpakets 1b mit Art. 47c nach dem unbegründeten, und von der Mehrheit abgelehnten Rückkommensantrag der SGK-N vom 4. Februar der Kommissionsminderheit gefolgt und hat dem Kostensteuerungsartikel zugestimmt, nachdem er diesen zuvor wie der Ständerat ablehnte. OK, man kann mit Rückkommensanträgen Abstimmungen wiederholen, weil man Mehrheitsentscheide nicht respektiert. Gut für die Demokratie ist das nicht. Und ich hoffe, der Ständerat wird seinem Ruf als Chambre de reflexion gerecht und Art. 47c weiterhin ablehnen.
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