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Steigende Gesundheitsausgaben – Alarmismus schadet
Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) prognostiziert bis 2040 steigende Gesundheitsausgaben pro Kopf zwischen 45 und 60 Prozent. Nur mit intelligenter Regulierung kann das Wachstum gebremst werden.
, 22. April 2022 um 11:00Warum die einheitliche Finanzierung dringend notwendig ist
- 1. Mehrstufige Gatekeeping-Systeme in den AVM ausbauen und neue AVM mit ausgeweiteten digitalen Versorgungsansätzen entwickeln: Über 70 Prozent der Grundversicherten haben ein alternatives Versicherungsmodell (AVM). Damit AVM nicht nur Gatekeeping, sondern mehr integrierte Versorgung ermöglichen, brauchen medizinische Leistungserbringer und Versicherer mehr Handlungsspielraum, beim Leistungskatalog, bei den Tarifen und Preisen, bei den Prämien und bei der Dauer der Versicherungsverträge.
- 2. Integrierte Versorgung ausbauen, hybride Behandlungsansätze entwickeln und Selbstbestimmung stärken – insbesondere Chroniker über ambulante und digitale Behandlungselemente longitudinal begleiten sowie das Selbstmanagement und die Mitbestimmung von Versicherten zur Freisetzung von weiterem Einsparpotenzial fördern: Hier sind die selben Rahmenbedingungen wie unter 1. wichtig. Effizienz und Qualität muss mit Anreizen gefördert und kann nicht mit bürokratischen Vorschriften (Zulassungssteuerung, Qualitätsverträge, Kostensteuerung, Kostenziele etc.) erzwungen werden. AVM mit Capitationverträgen setzen die richtigen Anreize für Effizienz und Qualität.
- 3. Digital First - die Digitalisierung des Gesundheitswesens flächendeckend umsetzen und Daten zweckbasiert nutzen, um die Akteure zu vernetzen und Behandlungen datenbasiert zu verbessern: Wie bei den analogen Verkehrsnetzen, muss auch beim digitalen Datenverkehr der Staat die Basisinfrastruktur zur Verfügung stellen und Spielregeln für nutzenstiftende Geschäftsmodelle durchsetzen.
- 4. Sektorengrenzen und unterschiedliche Vergütungsstrukturen aufweichen hin zu einer bedarfsgerechten Ressourcenverteilung, nach Qualität statt nach Menge incentivieren und konsequent Real-World-Evidence-Daten (RWE-Daten) erheben: Wie unter 1. erwähnt, ist hier Spielraum bei den AVM wichtig. Hier sind Freiräume ausserhalb der starren, behördengenehmigten Tarifsysteme für ambulante und stationäre Leistungen sehr wichtig. Leider geht die Regulierung mit nationalen Tariforganisationen, wo Verbände und nicht Unternehmen bestimmen, in die falsche Richtung.
- 5. Value Proposition in der VVG durch Innovationen und personalisierte Angebote der Zusatzversicherungen neu definieren, um langfristiger Wettbewerbsvorteile zu sichern und die strategische Positionierung der Versicherer zu verbessern: Hier haben Versicherer und Leistungserbringer die Zeichen der Zeit zu lange nicht erkannt und werden jetzt von der Finma eingeengt, anstatt mit mehr Freiräumen ausgestattet. Aber vielleicht macht Not erfinderisch.
- 6. Gesundheitskompetenz stärken und individuelle Präventionsangebote weiter ausbauen: Die beste Förderung der Gesundheitskompetenz und Prävention ist, soziale Durchlässigkeit, Chancengleichheit und Bildung. Das geht nur mit einer besseren Kooperation des Gesundheits- und Bildungssektors.
- 7. Ambulantisierung operativer Eingriffe mit einem schweizweiten konsistenten Angebot vorantreiben und die stark fragmentierte Spitallandschaft hin zu hoch spezialisierten Kompetenzzentren mit klar definierten Versorgungsstufen und Verantwortlichkeiten entwickeln: Wenn die Handlungsfelder 1. bis 4. mit den oben skizzierten Anreizen bearbeitet werden, passen die Akteure ihre Strukturen ohne staatliche Planwirtschaft laufend an, denn es gilt: Strukturen folgen Prozessen, und Prozesse folgen Zielen. Und nicht umgekehrt, wie es die Politik oft tut.
- 8. Generikaquote erhöhen und Preisfestsetzungs-Mechanismen bei Generika anpassen: Bei Tarifen, Preisen und Margen hätte ich mir von den Autoren einen grösseren Wurf gewünscht. Wie oben erwähnt, sollten Leistungserbringer und Versicherer im Bereich der AVM auch Preise, Tarife und Margen selber verhandeln dürfen, auch mit den Herstellern und mit dem Handel in den Bereichen Analysen, Medikamente, Mittel und Gegenstände.
- 9. Und schliesslich hätte ich mir von den Studienautoren auch ein paar Gedanken zum Handlungsfeld Versorgungssicherheit in der globalisierten Welt gewünscht. Die Coronapandemie und Putins Krieg gegen die Ukraine zwingen uns, dazu etwas mehr Gedanken zu machen, als hier und dort den Selbstversorgungsgrad erhöhen zu wollen.
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