Der Kostendruck auf die Spitäler bleibt hoch. Die Spitäler und Kliniken rechnen im aktuellen inflationären Umfeld mit Kostensteigerungen aller Art aufs neue Jahr: Sachkosten steigen wegen den explodierenden Energiekosten (40 bis 300 Prozent), massive Kostensteigerungen zeichnen sich beim Materialeinkauf inklusive Lebensmittel ab (3 bis 20 Prozent). Die Personalkosten steigen wegen der ausufernden Gesundheitsbürokratie (2 bis 3 Prozent jährlich), die Lohnkosten steigen infolge Fachkräftemangel sowie wegen der Inflation (2 bis 5 Prozent). Eine PwC-Studie geht davon aus, dass bis 2040 rund 40'000 Pflegende und 5500 Ärztinnen und Ärzte fehlen werden.
Besserung ist nicht in Sicht
Die Kombination von Teuerung, Lohnforderungen und Energiekrise ist Gift für die Spitäler. Hinzu kommt, dass die Spielräume der Häuser eng begrenzt sind: Heute ist gerade mal jedes vierte Spital finanziell wirklich gesund und erwirtschaftet genug Erträge, um langfristig zu überleben; 20 bis 25 Prozent der Spitäler haben massive finanzielle Probleme, der Rest kämpft sich irgendwie durch.
Wenn die Tarife auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben, wird ein Grossteil der Spitäler in Schieflage geraten. Die ambulanten Leistungen sind heute zu 30 Prozent unterfinanziert, die stationären zu 10 Prozent. Das Problem der Spitäler ist: Sie können die steigenden Kosten nicht einfach auf ihre Patienten abwälzen, sondern sind an die Tarife gebunden, die sie mit den Krankenversicherungen auf Basis vergangener Kostendaten ausgehandelt haben. Die Kostenerhöhungen lassen sich auch nicht mehr durch die Verbesserung von Prozessen und eine Erhöhung der Effizienz kompensieren; einerseits sind diese oft weitgehend ausgereizt, andererseits führen neue Standards, Vorgaben von Behörden und bürokratische Interventionen zu Personalvermehrung in unproduktiven Bereichen. Diese Auflagen und Vorgaben erfolgen selbstredend immer alle ohne Kostenfolgeabschätzung für die umsetzenden Spitäler.
Wer bessere Qualität bietet, dem laufen die Patienten zu
Nachdem die Kostenträger bisher zu keinen Tarifanpassungen, sondern mit staatlichen Deckelungs- und Kostensenkungsmassnahmen liebäugeln, ist es für die Spitäler schwierig, der Kostenfalle zu entgehen. Es bleibt eigentlich nur, Marktanteile hinzugewinnen, um Erträge zu halten und zusätzliche Einnahmen zu gewinnen. Denn die obligatorische Krankenversicherung bezahlt den Aufenthalt in jedem Listenspital – unabhängig vom Kanton. Soweit die Theorie. Der Wettbewerb funktionierte bisher aber nur bedingt, weil viele Patienten nicht die nötigen Informationen hatten, um das optimale Spital zu finden.
Und hierin liegt eine Chance: Wer bessere Qualität bietet, und das auch breit vermitteln kann, dem laufen die Patienten zu; wem es gelingt, zusätzliche Patienten und Zuweisende von seinem Angebot zu überzeugen, wird seine Auslastung verbessern und seine Fallzahlen steigern können. Ein echter Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern müsste sich in unserem System weniger am Preis, wo die Baserates wenig Spielraum zulassen, sondern am Kosten/Nutzen-Verhältnis und damit an der Qualität orientieren. Bisher war der Patient hauptsächlich auf den guten Rat des Arztes angewiesen. Der wird auch weiterhin wichtig sein. Wichtig wäre, dass sich jeder Patient die Spitäler anhand von Qualitätsindikatoren vergleichen kann. Und das auf einfache Art und Weise.
Den Qualitätswettbewerb endlich kundenfreundlich lancieren
Die bisherigen Versuche, hier mehr Transparenz zu schaffen, den Kunden – sprich: Patienten – über bessere Medizin abzuholen, waren von überblickbarem Erfolg. Damit der informierte Patient nicht mehr das Spital direkt vor der Haustüre aufsucht, sondern das beste Spital, braucht es
- einfache und verständliche Rankings (beispielsweise in Form einer einfachen Notenskala von 1 bis 6);
- eine Handy-taugliche Applikation, die easy zu bedienen und interpretierbar ist;
- eine objektive und vertrauenswürdige Basis für die Bewertung.
Objektive Daten: Das Ranking sollte auf der Auswertung von objektiven Qualitätsdaten wie Wundinfekten, Revisions-Operationen, Sterblichkeit, Fallzahlen beruhen; dazu können Daten des Bundesamts für Gesundheit (BAG), das für jedes Krankheitsbild Fallzahlen und Mortalitätsraten erhebt, verwendet werden. Zusätzliche Angaben zur Patientenzufriedenheit, zu Wundinfektionen, zur Qualität der Pflegebetreuung und anderem mehr liefern siris, swissnoso und der Verein für Qualitätsentwicklung in Spitälern (ANQ). Diese Daten sollten miteinander sinnvoll kombiniert werden.
Einfaches kundenfreundliches Ranking: Zwar sind diese Daten bereits heute öffentlich. Doch für Patienten sind diese kaum auffindbar, geschweige denn lesbar oder verständlich. Darum braucht es eine Aggregierung und einfaches Ranking. Die 20 Prozent besten Spitäler sind die, die 80 bis100 Prozent des maximalen Wertes erreichen und erhalten beispielsweise die höchste Note; die Spitäler, welche 60 bis 79 Protent des maximalen Wertes erreichen, erhalten eine Note weniger, usw. Nur eine einfache Art der Bewertung schafft ausreichend Akzeptanz und Orientierung für den Laien, und das ist der Patient. Es nützt dem Patienten nichts, wenn er weiss dass sein Spital beim Einsetzen des Hüfteingriffs auf Rang 87 von 136 Spitälern ist.
Objektivierung der Daten: Viele heute bestehende Bewertungen beruhen mehrheitlich auf subjektiven Faktoren, etwa wie Patientenzufriedenheit; diese werden von Faktoren wie Sauberkeit der Zimmer, Meinungen über das Essen, Freundlichkeit des Personals und vom eigenen Befinden als Patient beeinflusst – psychisch angeschlagene Patienten beurteilen die gleichen Leistungen oft durchs Band tiefer, als Patienten im gleichen Spital ohne psychische Probleme. Ein Patient kann nach seinem Spitalaufenthalt eine sehr hohe Zufriedenheit auf die Befragung hin angeben, auch wenn nach einem Jahr die Hüft-Prothese wegen Mängeln wieder ersetzt werden muss.
Gewichtung der Daten: Das Erfolgsmerkmal einer objektiven Bewertungsstelle müsste das Schaffen von Transparenz über die Häufigkeit von Komplikationen und die messbare medizinische Qualität der Leistungserbringer sein. In Zukunft werden PROMs (patient reported outcome measures) und PREMs (patient reported experiences) zunehmend eine Rolle spielen und auch erfasst und publiziert werden. Ein erfolgreicher Ranking Anbieter müsste beides in seine Analyse aufnehmen, so dass er seine Datenbasis stets erweitern und seine Kunden und Kundinnen stets mit fundierteren Daten beliefern könnte.
Entspricht auch politischen Forderungen
Damit derartige Qualitätsrankings einen kostenstabilisierenden Effekt erzielen können, müssen Behandlungs- und Indikationsqualität sowie die Transparenz bei der Gestaltung der Preise und Tarife als massgebendes Kriterium zur Beurteilung von Leistungen definiert werden. Die notwendige Umstrukturierung der Spitallandschaft darf nicht mit Massnahmen der Plan- und Kommandowirtschaft erzwungen werden, da die Folgen verheerend sind, man blicke auf die Staatsysteme à la National Health Service in Grossbritannien. Die Transformation muss im Wettbewerb, sprich im Streben nach einem optimalen Verhältnis zwischen Nutzen, sprich medizinischem Behandlungserfolg («Qualität») und den Kosten erfolgen. Konkret bedeutet dies neben der Verfügbarkeit von objektiven und leicht lesbaren Qualitätsrankings, dass moderne Tarifsysteme (zum Beispiel Pauschalen, Komplexpauschalen, Einzelleistungstarife) die Qualität auch in die Preisbildung mit einbeziehen.
Folgen dieses Paradigmenwechsels wäre eine Trennung von Spreu und Weizen bei den immer noch zu zahlreichen Spitälern sowie die längst fällige Spezialisierung: Nicht mehr jedes Spital kann und wird Zukunft alle möglichen Operationen in genügender Qualität anbieten. Das führt uns auch in eine Umstrukturierung der Spitallandschaft, welche darauf abzielt, die Versorgung integriert anzubieten, das Silodenken zwischen den Sektoren zu überwinden, eine Spitallandschaft die auf der Grundlage eines digitalen Daten-Ökosystems basieren wird, die weit über das elektronische Patientendossier hinaus reicht.
Transformation der Spitallandschaft im Wettbewerb um die beste Medizin
Gesundheitsdienstleister, welche die Bedingungen der Qualität, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) nicht erfüllen, müssen damit nicht erst von Behörden ermittelt und sanktioniert werden; der Patient wird darüber mit seinen Füssen abstimmen. Denn das Messen der besten Medizin bietet auch hierfür eine Grundlage.
Es gibt schon heute mehrere Versuche von Jungunternehmen, das Gesundheitswesen mit Hilfe von Applikationen und neuen Technologien in Richtung Value-Based Healthcare zu bringen. Es braucht heute disruptive Wege, um mittels transparenter Preisbildung im Gesundheitswesen den Kunden wieder besser ins Zentrum der Gesundheitsdienstleistungen zu rücken. Das ist nicht zuletzt im eminenten Interesse auch der Versorger selbst. Wenn dabei auch die Kostenzunahme endlich gedämpft werden kann, sollten wir uns umgehend daranmachen, den «Value-Based Healthcare»-Ansatz zu fördern und zu messen, wer die beste Medizin anbietet.