Vom Königshaus zur besten Spitalküche

Robert Hubmann, Küchenchef der GZO Wetzikon hat einst die Queen bekocht, heute verlassen täglich 600 Mahlzeiten seine Küche. Nun wurden er und sein 30-köpfiges Team mit dem Viktor 2022 ausgezeichnet.

, 20. April 2023 um 06:26
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Robert Hubmann bekommt von Geri Staudenmann (Inhaber Santemedia) den Viktor überreicht
Herzlichen Glückwunsch zum Viktor! Fast so schön wie ein Ritterschlag der Queen beziehungsweise des King?
Absolut! Es war ein grandioser Abend und ich habe mich gefühlt wie in Hollywood bei den Oscars. Zum Glück war ich vor einiger Zeit an einem Golfturnier mit dem Motto «James Bond» und hatte damit schon das passende Outfit. Dass wir ausgezeichnet wurden, ist fantastisch und freut mich unglaublich für unser Team. In unserer Spitalküche stimmt das Gesamtpaket – die Dynamik des Teams, die Zusammenarbeit mit den Lieferanten, die moderne Küche. Der Viktor ist nun das Sahnehäubchen obendrauf.
Dabei haben Sie vor ein paar Jahren noch gesagt – Spitalküche? Niemals!
Das ist so. Ich komme aus der Gourmetküche; war unter anderem bei Anton Mosimann in London, wo wir wöchentlich für die Königsfamilie gekocht haben, im Burj al Arab in Dubai und habe zuletzt das Golfrestaurant des Grand Resort Bad Ragaz geführt. Dass ich einmal Küchenchef einer Spitalküche werde, war so nicht geplant.
Und doch haben Sie sich vor fünf Jahren an die Challenge gewagt und die Spitalküche der GZO Wetzikon übernommen. Weshalb?
Challenge ist ein Stichwort. Ich war zwölf Jahre in Bad Ragaz und hatte auch hier schon eine Challenge zu bewerkstelligen: Wie bringt man Spitzengastronomie in ein Sport-Restaurant? Wir haben ein Gourmetrestaurant aufgebaut und als erstes Golfrestaurant GaultMillau-Punkte erkocht. Dafür haben wir jeweils 8 Monate durchgearbeitet. Auch wenn ich danach den Rest des Jahres frei hatte und die ganze Welt bereisen konnte, hängt das irgendwann an. Ich wollte deshalb in einem Betrieb arbeiten, der das ganze Jahr geöffnet hat, frisch kocht und Lehrlinge ausbildet. Die Spitalküche erfüllt alle Kriterien. Zudem sah ich es als Challenge, die Spitalküche aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken.
Ihr Kollege Andreas Caminade witzelte damals: «So, gehst du eine ruhige Kugel schieben»?
Von ruhig kann keine Rede sein. Es ist ein anderes Arbeiten als in der Gourmetküche und das erste Jahr war hart. Ich kam mit meinem Gourmethintergrund und musste schnell feststellen, dass es in der Spitalküche vorallem ums Kerngeschäft geht: gutes, ausgewogenes Kochen. Die Optik spielt eine weniger grosse Rolle. Anfänglich schmerzte mir das Herz beim Kochen in den riesigen Kesseln und ich konnte es nicht lassen, mir ein paar neue, kleinere Töpfe anzuschaffen. Lieber koche ich nach – so wird auch nichts weggeschmissen.
Stichwort Foodwaste und Regionalität – zwei grosse Themen Ihrer Spitalküche.
80 Prozent unserer Produkte stammen aus dem Zürcher Oberland, Fisch aus Graubünden und der Alpenzander aus dem Wallis. Entscheidend ist hier das Zusammenspiel mit den Lieferanten, wir sehen diese als externe Mitarbeiter. Wir kochen alles zeitnah und frisch, nur in der Menge, die auch tatsächlich benötigt wird. Wenn wir grösser wären und noch mehr Essen kochen müssten, wäre der Einkauf in dieser Form gar nicht mehr möglich. Weil diese Lebensmittel nicht unbegrenzt verfügbar sind.
Wieviel darf ein Patientenessen kosten?
Sie meinen wegen dem Alpenzander? Dieser kommt natürlich nicht jeden Tag auf den Tisch. Die Kosten können wir ganz gut steuern – so gibt es etwa heute Käsespätzle, die sehr günstig und beliebt sind, morgen dann zum Beispiel ein teureres Rindssteak.
Welche Gerichte sind besonders beliebt?
Einerseits probieren die Patienten gerne etwas Neues und freuen sich über saisonale Spezialitäten. Andererseits schätzen sie regionale Gerichte, die sie schon kennen. Etwa ein Saftplätzli, das es so in der gehobenen Gastronomie nicht gibt.
«Von den Ärzten höre ich immer wieder, dass die Küche gleich wichtig ist wie die medizinische Leistung.»
Gibt es No-Gos in Ihrer Spitalküche?
Salami und rohe Eier. Salami ist rohes Fleisch, Eier haben viele Bakterien. Bei den Gerichten hingegen sind uns kaum Grenzen gesetzt. Einzig ein Soufflé ist nicht umsetzbar – dieses wäre flach, wenn es beim Patienten ankommt. Auch das Risotto bereiten wir etwas flüssiger zu, damit es noch schön nachziehen kann und in perfekter Konsistenz beim Patienten ankommt.
20 bis 30 Prozent der Patienten sind bei Spitaleintritt Mangelernährt. Auf was müssen Sie hier besonders achten?
Mangelernährung ist ein grosses Thema, zu 95 Prozent nehmen die Patienten zu wenig Protein zu sich. Dadurch geht Muskelmasse verloren, was wiederum die Sturzgefahr erhöht. Protein spielt auch bei der Wundheilung eine wichtige Rolle. Wir arbeiten eng mit dem Ernährungsteam zusammen und bieten 37 verschiedene Diätformen an – von salzarm bis hin zu spezieller Diabetikerkost. Bei allen Gerichten müssen wir darauf achten, dass die drei Makronährstoffe: Fett, Proteine und Kohlenhydrate stimmen. Von den Ärzten höre ich immer wieder, dass die Küche gleich wichtig ist wie die medizinische Leistung. Diese Einstellung kann ich nur teilen.
Sie beschäftigen 30 Mitarbeitende aus 13 Nationen. Wie halten Sie Ihr Team zusammen?
Ich versuche jeden Mitarbeiter in seinen Stärken zu unterstützen und stimme den Dienstplan darauf ab. Das wiederum stärkt das gesamte Team. Zudem ist es mir wichtig, dass eine wertschätzende, respektvolle Atmosphäre herrscht. Es fliegen keine Pfannen und es wird auch nicht herumgeschrien – vielmehr zählt die Einheit in der Küche. Ich habe zwei Kinder, die mir zeigen, wie man cool drauf und zugleich Chef sein kann.
Für Patienten hat das Essen im Spital zumeist eine grosse Bedeutung, oft ist es das Highlight des Tages. Wie erleben Sie das?
Oh ja, wir bekommen viel Fanpost! Manchmal gibt es allerding auch unzufriedene Gäste, etwa wenn Jemandem eine salzfreie Diät verschrieben wird. Da kann man noch so gut kochen und mit Kräutern nachhelfen – wer sich viel Salz gewohnt ist, dem schmeckt es ohne nicht.
Zum Schluss: welches Sind für die grössten Unterschiede zwischen der Spitalküche und der Spitzengastronomie?
Ich war am Anfang sehr naiv und dachte, ich packe meine Gerichte aus und alles wird so wie im Restaurant. So einfach ist das nicht. Der Küche stehen im Spital die Patienten mit ihren medizinischen Problemen und diversen Diätformen gegenüber. Ich habe mich deshalb noch zum Diätkoch ausbilden lassen. Auch das Geschirr war für mich eine neue Erfahrung – keine Designer-Teller sondern funktionelles Geschirr mit warmhaltender Funktion. Anders als im Restaurant brauchen Gericht länger bis sie beim Gast sind und wir müssen den Transport und die Standzeit einberechnen. So werden unter der Glosche beispielsweise Kräuter grau, Knuspriges wird „gummig“, Risotto wird zu fest. Wenn ich an die Zeiten im Buckingham Palast zurückdenke, wurden die Gerichte mit Butter oder einem Schuss Trüffelöl verfeinert – in der Spitalküche ein NoGo.

Ein grosser Dank gilt unserem Hauptsponsor und Presenting Partner Johnson & Johnson sowie unseren Sponsoren: Die Post – Gesundheitslogistik, Hirslanden, Level Consulting, Medbase, Takeda sowie vips Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz.

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