Studie: Kommunikationsmängel häufige Ursache für Komplikationen

Eine internationale Studie zeigt: Schlechte Kommunikation ist bei rund jedem vierten Zwischenfall im Spital mitverantwortlich – teils sogar alleinige Ursache.

, 10. Juni 2025 um 06:58
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Therapeut im Gespräch mit Patientin. Bild: Symbolbild/Unsplash
Kommunikationsfehler gehören zu den grössten Risiken im Klinikalltag. Laut einer neuen Metaanalyse sind sie in jedem vierten sicherheitsrelevanten Zwischenfall im Spital mitverantwortlich – und in jedem zehnten sogar die Hauptursache.
Die Ergebnisse wurden in den «Annals of Internal Medicine» veröffentlicht (2025; DOI: 10.7326/ANNALS-24-02904).
Die Forschenden analysierten 46 Studien mit insgesamt 67'639 Patientinnen und Patienten aus Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Australien. Erfasst wurden unter anderem unerwünschte Ereignisse, Beinahefehler und Medikationsprobleme. Untersucht wurden dabei auch verschiedene Formen der Kommunikation – von Gesprächen über schriftliche Dokumentation bis hin zu elektronischem Austausch und nonverbalem Verhalten.
«Als Arzt hat man oftmals vorgefertigte Krankheitsbilder oder Meinungen im Kopf und neigt dazu, den Patienten frühzeitig zu unterbrechen», Michael Deppeler.
In vier der Studien wurde gezielt erhoben, inwieweit mangelhafte Kommunikation alleinige Ursache für Sicherheitsvorfälle war – das traf auf durchschnittlich 13,2 Prozent der Fälle zu. In weiteren 42 Studien war schlechte Kommunikation ein mitverantwortlicher Faktor bei 24 Prozent der Vorfälle.
  • Impacts of Communication Type and Quality on Patient Safety Incidents: A Systematic Review
Authors: Leila Keshtkar, Amber Bennett-Weston, Ahmad S. Khan, Max Jones, Keith Nockels, Sarah Gunn, Natalie Armstrong, Jennifer Bostock, Jeremy Howick,
Publication: Annals of Internal Medicine

Kommunikationsdefizite

Dass Kommunikationsprobleme weitreichende Folgen haben können, bestätigt auch Michael Deppeler, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Gründer der Organisation Dialog-Gesundheit Schweiz. Er beobachtet ein wiederkehrendes Muster: «Als Arzt hat man oftmals vorgefertigte Krankheitsbilder oder Meinungen im Kopf und neigt dazu, den Patienten frühzeitig zu unterbrechen – im Durchschnitt bereits nach 20 Sekunden.»
Die Folgen sind gravierend: «Wichtige Informationen gehen dabei verloren, der Patient fühlt sich unverstanden und verunsichert. Im Endeffekt dauert das Gespräch dann oft länger, als wenn man den Patienten einfach hätte ausreden lassen», so Deppeler.
Studien zeigen, dass die meisten Patientinnen und Patienten nach zwei bis drei Minuten sagen, was sie mitteilen möchten – entgegen der verbreiteten Sorge, sie würden sich endlos auslassen.

Zeit – und Schulung

Gleichzeitig verweist Deppeler auf die doppelte Rolle der Ärztinnen und Ärzte: Sie seien sowohl Gesprächspartner als auch Gesprächsleiter. Fehle es an kommunikativer Ausbildung, könnten Patienten die Gesprächsführung übernehmen – oft mit negativen Folgen für die Diagnostik oder Therapieentscheidung.
Das Forschungsteam aus Leicester empfiehlt deshalb evidenzbasierte Kommunikationsschulungen, um Fachpersonen im Gesundheitswesen besser auf diese Anforderungen vorzubereiten. Auch Michael Deppeler sieht hier Handlungsbedarf: «Bereits im Medizinstudium sollte Kommunikation systematisch trainiert werden – nicht als Nebenfach, sondern als fester Bestandteil klinischer Kompetenz.»

Eine schlechte Arzt-Patienten-Kommunikation verschuldet viele Komplikationen. Michael Deppeler sieht Verbesserungspotential bereits im Studium.

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