Wie Unfallversicherer Millionen sparen

Die Ombudsstelle der Privatversicherung und der Suva hat regelmässig Fälle zu beurteilen, in denen ein Unfallversicherer die Leistung verweigert, weil die Kausalität nicht gegeben sei. In der Hälfte der Fälle, in denen sie interveniert, krebst der Versicherer zurück.

, 11. August 2020 um 13:33
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Das Vorgehen der Unfallversicherer ist bekannt: Man lehnt die Kosten ab mit dem Verweis, der Schaden habe schon vorher bestanden. So geschehen mit Andreas Tschachtli (47), einem Gemüsebauer aus Kerzers. Medinside berichtete hier.

Zuerst Ja; dann Nein

 Tschachtli ist nicht der einzige. Martin Lorenzon ist Ombudsmann der Privatversicherung und der Suva. Er schreibt im Geschäftsbericht 2017: «Wir beobachteten in diesem Jahr eine Zunahme der Fälle, in welchen der Unfallversicherer zunächst die Leistungspflicht bejahte, als dann eine kostspielige Behandlung wie zum Beispiel eine Operation anstand, nach ergänzenden Abklärungen die weitere Leistungspflicht mit der Begründung verneinte, sie seien nicht mehr kausal.»
2019 registrierte die Ombudsstelle 704 Anfragen, die die obligatorische Unfallversicherung betreffen. Bei einem Drittel der unterbreiteten Fälle verweigert der Unfallversicherer die Leistungen; weil die Unfallkausalität nicht gegeben ist. 

Erfolgsquote ist Fifty-fifty

«Wir intervenieren nur in jenen Fällen, in denen wir der Meinung sind, dass der Unfallversicherer die Leistungen zu Unrecht verweigert oder dass er vor dem Leistungsentscheid noch weitere Abklärungen hätte machen müssen», sagte Martin Lorenzon im «SonntagsBlick». Im letzten Jahr habe er in 98 Fällen interveniert und in etwa der Hälfte der Fälle recht bekommen.
Auch Andreas Tschachtli wollte die Dienste der Ombudsstelle in Anspruch nehmen. Aber erst nachdem er Einspruch erhob und der Unfallversicherer Sympany diesen abgelehnt hat. Doch die Ombudsstelle kann laut Martin Lorenzon nur intervenieren, wenn noch keine juristischen Schritte eingeleitet wurden. Sobald der Versicherer eine Verfügung erlassen hat, könne er sich nicht mehr einmischen. 

«Die Ablehnung hat System»

Doch in der Mehrheit der Fälle werden weder die Ombudsstelle noch irgend ein Gericht von der Ablehnung der Übernahme von Unfallkosten erfahren. Vor gut fünf Jahren publizierte die «NZZ am Sonntag» einen Artikel mit dem Titel «Wie Unfallversicherer Millionen sparen». Darin sagt Susanne Friedauer, Rechtsanwältin bei der Zürcher Anwaltskanzlei KSPartner: «Die Ablehnung der Übernahme von Unfallkosten durch die Unfallversicherer hat System.»
Im Zweifelsfalle würden Unfallversicherer einmal Nein sagen und dann schauen, was passiert. «Die wenigsten Verunfallten wehren sich, da sie einerseits allfällige zusätzliche Kosten scheuen und andererseits auf das Fachwissen der Sachbearbeiter vertrauen», erklärte Susanne Friedauer. 
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