Wie die Unia den Pflegeberuf schlecht macht

Die Unia führt derzeit eine Medienkampagne gegen Pflegeheime. Offiziell geht es der Gewerkschaft darum, einen GAV zu erzwingen. Inoffiziell geht es ihr darum, im Gesundheitswesen Fuss fassen.

, 9. Juni 2017 um 09:00
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In Pflegeheimen der Schweiz scheinen «unhaltbare Zustände» zu herrschen. Das hätte «verheerende Auswirkungen auf das Personal». Dies zumindest behauptet die Unia in einer aggressiven Medienkampagne. Sie erhält Sukkurs von Journalistinnen und Journalisten, welche die Stories über den «menschenunwürdigen Umgang» breitwillig publizieren.
Ende Mai reichte die Unia dem Bundesrat die Petition «Gute Pflege und Betreuung brauchen gute Arbeitsbedingungen» mit über 10‘000 Unterschriften ein. Und am 12. Mai 2017, dem internationalen Tag der Pflege, nahmen laut Unia 150 Personen an einer Online-Aktion teil.

Inoffizieller Beweggrund: Mitgliederwerbung

Worum geht es der Unia konkret? Böse Zungen behaupten: um Mitgliederwerbung. Denn wollen sich Pflegefachleute einer Gewerkschaft anschliessen, so wenden sie sich aus historischen Gründen an den VPOD, der wie die Unia dem Gewerkschaftsbund angeschlossen ist.
Auf die Frage, wie viele Neumitglieder aus dem Pflegebereich die Unia mit der laufenden Kampagne zu gewinnen vermochte, heisst es von offizieller Seite: «Die Unia erfasst keine kampagnenspezifischen Zahlen über das Mitgliederwachstum.» Das Ziel der Kampagne bestehe darin, die Situation der Arbeitnehmenden zu verbessern.

93 Prozent sind zufrieden

2013 führte das Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel eine breit angelegte Studie über das Befinden des Pflege- und Betreuungspersonals in Alters- und Pflegeinstitutionen der Schweiz durch. Vom befragten Pflege- und Betreuungspersonal waren 93 Prozent mit der 

Vom befragten Pflege- und Betreuungspersonal waren 93 Prozent mit der Qualität der Pflege und Betreuung in ihren Betrieben eher oder sehr zufrieden. (Shurp-Studie)

Qualität der Pflege und Betreuung in ihren Betrieben «eher oder sehr zufrieden; und 83 Prozent würden ihr Alters- und Pflegeheim einem Mitglied ihrer Familie oder einer befreundeten Familie wahrscheinlich oder sicher weiterempfehlen. So steht es in der so genannten Shurp-Studie zu lesen. Das entspricht nicht wirklich dem, was die Unia und die von ihr munitionierten Medien über den Pflegeberuf zu berichten wissen.

Der VPOD ist stärker

Man muss wissen: die Unia Pflege macht zwar viel Lärm, hat aber in der Pflegebranche kein wirkliches Gewicht. Rund 30 Prozent der Pflegenden sind Mitglied des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK. Mit seinen rund 25'000 Mitgliedern ist dieser einer der grössten Berufsverbände im Gesundheitswesen. Der VPOD zählt nach eigenen Angaben 10'000 Mitglieder aus der Gesundheitsbranche. Bei der Unia sollen es um die 6'000 sein, wobei der Gesundheitsbereich in den letzten zwei Jahren am stärksten gewachsen ist.

Blau statt rot

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Unia Pflege mit blauen statt den traditionellen roten Ballonen Aufsehen erregt. Rot ist die Farbe der Gewerkschaften – blau die dominierende Farbe im Gesundheitswesen.
Das oberste Ziel der Unia ist das Erstreiten eines Gesamtarbeitsvertrages. Diese sind aber im Pflegebereich Mangelware. Und dort, wo über einen GAV verhandelt wird, ist die Unia unter Umständen nicht mal dabei. Das muss frustrierend sein. Der Frust geht soweit, dass sich die Gewerkschaft nicht scheut, ihre Anwesenheit am Verhandlungstisch vor Gericht zu ertrotzen. So geschehen eben erst im Kanton Bern (siehe Kasten). 

«Draussen vor der Tür»

Die Geschichte geht so: Der VPOD und der SBK Bern handelten mit dem Arbeitgeberverband Dedica für seine 17 angeschlossenen Pflege-Institutionen einen GAV aus – ein Novum für die Pflegebranche im Kanton Bern. «Draussen vor der Tür» lautet das Drama von Wolfgang Borchert. Zumindest der Titel passt auch zur Unia, was ihr aber gar nicht passte. 
Also reichte sie beim Gericht Oberland-Thun ein Schlichtungsgesuch ein. Doch die genannten Sozialpartner gingen nicht darauf ein, und das Gericht sah keine Grundlage, um eine Klagebewilligung zu erteilen. Denn die Unia hat schlicht zu wenig Mitglieder, um eine Teilnahme an den GAV-Gesprächen durchzusetzen. Hinzu kommt, dass die Dedica den GAV gekündigt hätte, wenn die Unia am Verhandlungstisch Platz genommen hätte.

«Erschwert unsere Arbeit»

Nicht gut zu sprechen auf die Unia ist SP-Grossrat Patric Bhend. Er ist Geschäftsführer des Vereins Solina mit Betrieben in Spiez und Steffisburg. Der Unia gehe es darum, im Bereich Pflege Fuss zu fassen. «Die Unia gaukelt unseren Leuten vor, sie hätte sich während Jahren für ihre Anliegen eingesetzt. Das ist nicht der Fall», sagte Bhend. «Ginge es ihr wirklich um das Wohl der Mitarbeiter, so müsste sie sich für höhere Kantonsbeiträge einsetzen, dann könnten wir dem Pflegepersonal höhere Löhne zahlen.»
Ebenfalls keine Freude am Vorgehen der Unia zeigte Bettina Dauwalder vom VPOD Bern. Der Berner Zeitung sagte sie: «Der GAV für Pflegeheime im Kanton Bern ist nach jahrelangen Bemühungen zustande gekommen und ist eine grosse Errungenschaft. Das Vorgehen der Unia erschwert unsere Arbeit.» 
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