Weshalb es wichtig ist, wem die Klinik Medicnova gehört

Liechtensteins Gesundheitsminister verweigert der neuen Privatklinik die OKP-Zulassung. Der Fall zeigt das klassische Dilemma im Gesundheitssystem – in vier Schritten.

, 24. Juli 2017 um 10:41
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Hier Intransparenz, da Interessenkonflikt: In Liechtenstein kommen die Konstruktionsprobleme des Gesundheitswesens besonders klar ans Licht – quasi in a nutshell
Wie schon berichtet, weigert sich Gesundheitsminister Mauro Pedrazzini, der Medicnova Privatklinik die OKP-Zulassung zu gewähren. Das Argument: Die Eigentumsverhältnisse seien unklar; und es gibt allerhand Grund zur Annahme, dass Zuweiser an der neuen Klinik in Bendern beteiligt sind. Dies aber ist nach dem liechtensteinischen Gesundheitsgesetz nicht gestattet.
Tatsächlich war das Projekt einer Privatklinik mit Spezialisierungen in Orthopädischer Chirurgie, Kardiologie, Urologie oder Gefässchirurgie einst von acht Ärzten aus dem Ländle gestartet worden – von Ärzten notabene, die zuvor am öffentlichen Landesspital tätig waren. Und heute noch sind drei der vier Mitglieder des Medicnova-Verwaltungsrates als Belegärzte im Haus tätig. 

«Kein Anlass, Eigentümer namentlich zu nennen»

Dennoch betont das Unternehmen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt seien. Die Eigentumsverhältnisse hätten sich seit der Lancierung umfassend geändert, teilt Verwaltungsratspräsident Hansjörg Marxer mit: «Heute ist keiner der zuweisenden Ärzte (beziehungsweise keiner der medial namentlich Genannten) Miteigentümer, Gesellschafter oder wirtschaftlich Berechtigter der Medicnova Privatklinik AG.»
Er könne mit Gewissen versichern, «dass keine Unvereinbarkeit nach dem Ärztegesetz gegeben ist», so Marxer weiter: «Alle anderslautenden Vermutungen beziehungsweise Unterstellungen entsprechen nicht den Tatsachen. Daher gibt es auch keinerlei Anlass, die nunmehrigen Eigentümer oder wirtschaftlich Berechtigten namentlich zu nennen.»

«Kleinkrieg auf dem Rücken der Patienten»

Oder anders: Die Investoren wollen geheim bleiben. Laut einem Communiqué, das Medicnova am Freitag versandte, wurden die Behörden nun über die Eigentumsverhältnisse schriftlich informiert; mehr Angaben könnten nicht gemacht werden. Und weiter: «Hier wird ein Kleinkrieg auf dem Rücken der Patienten ausgetragen – und daran wollen sich die Ärzte der Medicnova nicht beteiligen.»
Die Vertreter der Privatklinik sichten also ein anderes Hauptthema: Danach dreht sich der Fall gar nicht um die Eigentumsverhältnisse – sondern darum, dass die Überwachungsinstanz zugleich Besitzerin des Landesspitals ist. Und dass dieses unter der neuen Konkurrenz offenbar erheblich zu leiden hat.

350 Patienten nach Grabs

Denn die Medicnova-Ärzte zogen Privatpatienten ab – oder aber sie behandeln grundversicherte Menschen jetzt im Spital Grabs, mit dem die Privatklinik einen Kooperationsvertrag hat. Das zur Spitalregion Rheintal, Werdenberg, Sarganserland gehörende Haus rechnet damit, dass die Kooperation mit Medicnova etwa 350 zusätzliche Patienten pro Jahr bieten wird.
Auf der Gegenseite reagierte auch das Landesspital: Es investierte in den letzten zwei Jahren in den Ausbau der Chirurgie – unter anderem mit der Einsetzung eines Chefarzt-Systems und dem Engagement von Walther Tabarelli. Nun aber fehlt es an Patienten.
In Zahlen: In der Medicnova Privatklinik wurden im ersten Halbjahr rund 700 Personen stationär und ambulant behandelt. Im Landesspital waren die ambulanten Fallzahlen derweil um 13 Prozent tiefer als im ersten Vorjahreshalbjahr – im stationären Bereich sogar um 30 Prozent; dies meldete das «Liechtensteiner Volksblatt»

Markanter Einbruch der Fallzahlen

Dies hat zur Folge, dass Mauro Pedrazzini vor gut zwei Wochen einen Nachschuss von 2,5 Millionen Franken ans Landesspital beantragen musste. In der Erklärung hiess es unter anderem: «Seit Beginn dieses Jahres ist das Spital jedoch mit einem markanten Einbruch der Fallzahlen konfrontiert. Grund hierfür ist insbesondere, dass die umsatzstärksten Belegärzte im Bereich der Chirurgie eine eigene Privatklinik gegründet haben und daher dem LLS insgesamt weniger Patienten zugewiesen werden.»



Kurz: Schön greifbar hier wird in diesem Fall ein Mechanismus des Wettbewerbs:

  • Ein neuer privater Anbieter provoziert, dass die etablierten Anbieter ebenfalls aus- und aufbauen müssen. 
  • Damit entstehen Parallelstrukturen und Überkapazitäten. In einem späteren Schritt wird offensichtlich, dass nicht ausgelastete Kapazitäten wieder abgebaut werden müssen.
  • Wichtige Akteure dabei: Die Gesundheitspolitiker und -behörden. Sie stehen faktisch vor einer Unmöglichkeit – der Unmöglichkeit, einen neutralen Entscheid zu fällen.
  • Womit – viertens – die formale Korrektheit und die Credibility des privaten Anbieters zu einem erheblichen Faktor im Duell wird.

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