Weitere Spezialärzte stellen sich gegen das neue Pauschalensystem

Der Krankenkassenverband Santésuisse und der Spitalverband Hplus haben ihr neues Pauschal-Werk offenbar auch ohne die Pathologen entwickelt. Das stösst den Spezialärzten nun sauer auf.

, 26. November 2021 um 11:00
image
Am Dienstag überraschte der Dachverband der Fachgesellschaften der invasiv und akutmedizinisch tätigen Spezialärzte die Branche mit einer Mitteilung. Darin stand zu lesen, dass der Chirurgenverband FMCH das von ihnen mitentwickelte neue Tarifwerk für ambulante Pauschalen ablehne. 
Es sei «nicht ausgereift, nicht praxistauglich und einseitig», so die Gründe für das NEIN zur geplanten Pauschal-Tarifstruktur.
Nun gibt es weitere Vorbehalte von Spezialärzten gegen das Pauschalensystem. Bereits die Neurologen haben «grosse Bedenken» über die Kostengewichte und Datenlage angemeldet. Jetzt sind es die Pathologinnen und Pathologen, die den Prozess rund um die Vernehmlassung von nur zwei Wochen kritisieren. Auch diese Fachspezialisten haben «über Umwege» von den neu zu schaffenden Pauschalen im ambulanten Bereich vernommen, wie sie in einem Brief an den Versichererverband Santésuisse schreiben. 

Keine Rücksprache mit den Pathologen

Die Schweizerische Gesellschaft für Pathologie (SGPATH) hat gemäss Schreiben, das auch Medinside vorliegt, Santésuisse und Hplus bereits Anfang November Mails mit Fragen zugestellt. Diese schriftliche Anfragen zu den Pauschalen seien aber bislang unbeantwortet geblieben. Die Tariforganisation Solutions Tarifaires Suisses will das Tarifwerk noch vor Ende 2021 beim Bundesrat einreichen.
Offenbar wurden Pathologie-Positionen des veralteten Tarmed aber in die Pauschalen mit einbezogen, so einer der Kritikpunkte der Gesellschaft. Es ist den Pathologen jedoch völlig unklar, welche Positionen in welcher Art in welche Pauschalen allenfalls eingeflossen seien. Zudem müssten zahlreiche andere Unklarheiten bereinigt werden, wird im Brief weiter bemängelt. 

Finanzierungsproblem für Spitäler befürchtet

Für die Schweizerische Gesellschaft für Pathologie ist klar: Der Tarmed sei stark veraltet und widerspiegle nicht mehr die Arbeit der Pathologen. Aus diesem Grund sollten diese Positionen auch nicht in Pauschalen überführt werden, heisst es. 
Auch die Zusammensetzung der vorliegenden Pauschalen könne der Verband aufgrund der fehlenden Rücksprache nicht überprüfen. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Anteil der klinischen Pathologie an diesen Pauschalen nicht korrekt abgebildet sei. Das werde insbesondere für die Spitäler mit den Pathologie-Instituten schnell zu einem Finanzierungsproblem, warnen die Spezialisten. 

«Erschwerte Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit»

Der Verband der Pathologie fordert Santésuisse im Brief deshalb auf, «unverzüglich schriftlich klarzustellen», dass Tarmed-Positionen der Pathologie nicht in den erwähnten Pauschalen inbegriffen seien. Sie bestehen andernfalls darauf, «unverzüglich» mit dem Verband Kontakt aufzunehmen. 
Auf der Basis dieser Vorgänge sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zur Schaffung eines verbesserten Tarifsystems «nicht unmöglich, jedoch deutlich erschwert», steht im Brief zu lesen. Der Brief wurde unterzeichnet von den Chefärzten Philip Went vom Institut für Pathologie am Kantonsspital Graubünden (KSGR) und von Gieri Cathomas vom Institut für Pathologie am Kantonsspital Baselland (KSBL), der gleichzeitig als Präsident der Fachgesellschaft amtet. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Die fliegende Pathologin

Caroline Rouleau ist Fachärztin für Pathologie und Zytologie bei Synlab in Lausanne. Neben ihrer Arbeit ist sie passionierte Hobbypilotin.

image

Santésuisse stellt sich erstmals offiziell hinter Tardoc

Santésuisse, Curafutura und die Ärztevereinigung FMH haben ein neues Tarifbüro gegründet. Jetzt wollen die Verbände gemeinsam den neuen Tarif entwickeln.

image

Pauschalensystem: Chirurgen beenden Zusammenarbeit mit Tariforganisation

Der Verband der Spezialärzte FMCH stiess bei der nationalen ambulanten Tariforganisation Solutions Tarifaires Suisses (STS) auf Widerstand.

image

Kenntnis der Erstdiagnose kann zu Fehldiagnosen führen

Informationen über eine Vordiagnose beeinflussen die Zweitmeinung eines Arztes. Zu diesem Schluss kommt eine Studie mit Pathologen aus den USA.

image

Nun sind auch die Chirurgen für den Tardoc

Am liebsten hätte FMCH-Präsident Michele Genoni eine parallele Einführung von Tardoc und Pauschalen. Er sieht ein, dass das nicht realistisch ist.

image

Tardoc soll vor ambulanten Pauschalen eingeführt werden

Willy Oggier und Ueli Kieser haben heute am FMH-Tarifdelegiertentag erklärt, weshalb Tardoc vollständig eingeführt werden sollte anstatt auf die ambulanten Pauschalen zu warten.

Vom gleichen Autor

image

Warum Medizinstudierende im Studium ihre Empathie verlieren

Im Laufe eines Studiums nimmt offenbar das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten ab. Dies zeigt eine neue Studie.

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.

image

Warum hunderte Pflegekräfte derzeit «Rücktrittsschreiben» verfassen

Eigentlich möchten viele Pflegefachpersonen ihrem Beruf gar nicht den Rücken kehren. Doch das System zwingt sie dazu, wie eine aktuelle Kampagne in den USA exemplarisch zeigt.