Die Behandlung mit fokussiertem Ultraschall ist eigentlich nichts Neues: Am Universitätsspital Zürich (USZ) kommt das Verfahren seit vielen Jahren zum Einsatz, weil das Zittern damit effektiv und langanhaltend behandelt werden kann. Die Krux: «Die Intervention ist bisher nur für die Behandlung einer einzelnen Körperseite untersucht und zugelassen», wird der Neurochirurg am USZ, Lennart Stieglitz, im Communiqué zitiert.
Nun haben die Behandlungsteams am Universitätsspital Zürich und des HM CINAC in Madrid ihre Erfahrungen mit der beidseitigen Behandlung aufgearbeitet. Die Ergebnisse, die unter Beteiligung von Stieglitz im Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry (JNNP) publiziert wurden, machen Hoffnung.
In der Publikation wird über neun Patienten mit essentiellem Tremor, fünf Männer und vier Frauen, berichtet, welche im Rahmen einer experimentellen Therapie beidseitig mit fokussiertem Ultraschall behandelt wurden. Zur Sicherheit wurden zwischen den Behandlungen rechts und links Zeitabstände von 18 bis 24 Monaten eingehalten.
Zweite Behandlung zeigt erhebliche Verbesserungen
Die Veränderung des Zitterns wurde mittels Clinical Rating Scale for Tremor (CRST) gemessen, einer standardisierten Skala für die Erfassung des Zitterns bei Tremor-Krankheiten. Bei allen Patienten zeigte sich die erwartete Reduktion des Zitterns nach der ersten Behandlung. Die Behandlung der zweiten Seite brachte aber noch einmal erhebliche Verbesserungen:
Die Patienten zeigten bei der beidseitigen Behandlung die von der einseitigen Behandlung bekannten Nebenwirkungen wie Gang- und Stabilitätsstörungen, leichte Sprech- oder Wahrnehmungsstörungen. Diese bildeten sich in allen Fällen in wenigen Wochen wieder zurück, meist sogar komplett.
Auch die neuropsychologischen Tests erbrachten nach der zweiten Behandlung keine Verschlechterung im Vergleich zu den Werten nach der ersten. Für die Patienten resultierte aus der beidseitigen Behandlung deshalb insgesamt eine deutliche Verbesserung des Tremors, mit unmittelbaren positiven Auswirkungen in ihrem Alltag und auf ihre Lebensqualität.
Weitere Untersuchungen für Zulassung nötig
«Unsere Ergebnisse sind eine gute Nachricht für all jene Patienten, die an einem essentiellen Tremor leiden und weder mit Medikamenten noch mit einem Hirnschrittmacher behandelt werden möchten oder können», erklärt Professor Christian Baumann, Neurologe am USZ und Spezialist für neurodegenerative Erkrankungen. Man schliesse mit dieser Beobachtung eine Lücke. «Seit der einseitigen Zulassung sind die Ultraschallgeräte viel präziser geworden und die Bildgebung für die Vorbereitung sowie während des Eingriffs hat grosse Fortschritte gemacht.» Die aktuellen Resultate würden zeigen, dass die einst zu Recht vorhandenen Bedenken zur beidseitigen Behandlung wohl überholt seien.
Für die Zulassung der beidseitigen Tremor-Behandlung mit fokussiertem Ultraschall als Standardbehandlung sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen am Universitätsspital Zürich in Kooperation mit dem Team in Madrid um Professor José Obeso angedacht.
Tremor: Eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen
Der essentielle Tremor ist eine Störung des Nervensystems, bei der die Kommunikation zwischen bestimmten Hirnbereichen gestört ist. Die Ursache ist nicht bekannt. Der essentielle Tremor zeichnet sich durch ein Zittern beider Hände und oft auch des Kopfes aus. Dabei handelt es sich um eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen: Bis zu fünf Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, jüngere und ältere Menschen. Viele Tremor-Patientinnen und -Patienten sind durch das Zittern stark behindert: so können sie beispielsweise keine Suppe löffeln, motorische Feinarbeit wie Schreiben oder Rasieren sind unmöglich, und die Betroffenen fallen in der Öffentlichkeit auf, weshalb die Lebensqualität der Patienten darunter leidet.