Tremor: Neue Behandlung macht Hoffnung

Chronisches Zittern schränkt die Lebensqualität ein – Medikamente allein helfen leider nicht. Nun macht weltweit erstmals die beidseitige Behandlung mit Ultraschall Hoffnung.

, 11. Mai 2021 um 11:02
image
  • universitätsspital zürich
  • neurologie
  • tremor
  • studie
Die Behandlung mit fokussiertem Ultraschall ist eigentlich nichts Neues: Am Universitätsspital Zürich (USZ) kommt das Verfahren seit vielen Jahren zum Einsatz, weil das Zittern damit effektiv und langanhaltend behandelt werden kann. Die Krux: «Die Intervention ist bisher nur für die Behandlung einer einzelnen Körperseite untersucht und zugelassen», wird der Neurochirurg am USZ, Lennart Stieglitz, im Communiqué zitiert. 
Nun haben die Behandlungsteams am Universitätsspital Zürich und des HM CINAC in Madrid ihre Erfahrungen mit der beidseitigen Behandlung aufgearbeitet. Die Ergebnisse, die unter Beteiligung von Stieglitz im Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry (JNNP) publiziert wurden, machen Hoffnung. 
In der Publikation wird über neun Patienten mit essentiellem Tremor, fünf Männer und vier Frauen, berichtet, welche im Rahmen einer experimentellen Therapie beidseitig mit fokussiertem Ultraschall behandelt wurden. Zur Sicherheit wurden zwischen den Behandlungen rechts und links Zeitabstände von 18 bis 24 Monaten eingehalten.

Zweite Behandlung zeigt erhebliche Verbesserungen

Die Veränderung des Zitterns wurde mittels Clinical Rating Scale for Tremor (CRST) gemessen, einer standardisierten Skala für die Erfassung des Zitterns bei Tremor-Krankheiten. Bei allen Patienten zeigte sich die erwartete Reduktion des Zitterns nach der ersten Behandlung. Die Behandlung der zweiten Seite brachte aber noch einmal erhebliche Verbesserungen:
Die Patienten zeigten bei der beidseitigen Behandlung die von der einseitigen Behandlung bekannten Nebenwirkungen wie Gang- und Stabilitätsstörungen, leichte Sprech- oder Wahrnehmungsstörungen. Diese bildeten sich in allen Fällen in wenigen Wochen wieder zurück, meist sogar komplett.
Auch die neuropsychologischen Tests erbrachten nach der zweiten Behandlung keine Verschlechterung im Vergleich zu den Werten nach der ersten. Für die Patienten resultierte aus der beidseitigen Behandlung deshalb insgesamt eine deutliche Verbesserung des Tremors, mit unmittelbaren positiven Auswirkungen in ihrem Alltag und auf ihre Lebensqualität.

Weitere Untersuchungen für Zulassung nötig

«Unsere Ergebnisse sind eine gute Nachricht für all jene Patienten, die an einem essentiellen Tremor leiden und weder mit Medikamenten noch mit einem Hirnschrittmacher behandelt werden möchten oder können», erklärt Professor Christian Baumann, Neurologe am USZ und Spezialist für neurodegenerative Erkrankungen. Man schliesse mit dieser Beobachtung eine Lücke. «Seit der einseitigen Zulassung sind die Ultraschallgeräte viel präziser geworden und die Bildgebung für die Vorbereitung sowie während des Eingriffs hat grosse Fortschritte gemacht.» Die aktuellen Resultate würden zeigen, dass die einst zu Recht vorhandenen Bedenken zur beidseitigen Behandlung wohl überholt seien. 
Für die Zulassung der beidseitigen Tremor-Behandlung mit fokussiertem Ultraschall als Standardbehandlung sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen am Universitätsspital Zürich in Kooperation mit dem Team in Madrid um Professor José Obeso angedacht.

Tremor: Eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen

Der essentielle Tremor ist eine Störung des Nervensystems, bei der die Kommunikation zwischen bestimmten Hirnbereichen gestört ist. Die Ursache ist nicht bekannt. Der essentielle Tremor zeichnet sich durch ein Zittern beider Hände und oft auch des Kopfes aus. Dabei handelt es sich um eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen: Bis zu fünf Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, jüngere und ältere Menschen. Viele Tremor-Patientinnen und -Patienten sind durch das Zittern stark behindert: so können sie beispielsweise keine Suppe löffeln, motorische Feinarbeit wie Schreiben oder Rasieren sind unmöglich, und die Betroffenen fallen in der Öffentlichkeit auf, weshalb die Lebensqualität der Patienten darunter leidet. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Endokrinologie und Infektiologie: Teamwork von Zürich und Dresden

Die TU Dresden, die ETH und die Universität Zürich starten eine enges Forschungsprojekt zu Infektionsmedizin und zur Erforschung von Stoffwechselprozessen.

image

Nur noch Festangestellte? Super-Sache!

In Deutschland verzichtete eine Klinikgruppe vollständig auf Personalleasing. Jetzt zog man Bilanz.

image

Fall Maisano: USZ setzt Task Force ein

Ein Team aus internationalen Experten soll alle Todesfälle in der Herzchirurgie von 2016 bis 2020 untersuchen.

image

«Time» rühmt Neuro-Forscher aus Lausanne

Das US-Magazin zählt Jocelyne Bloch und Grégoire Courtine zu den 100 einflussreichsten Personen im globalen Gesundheitswesen.

image

Zurzach Care: Peter Sandor wird Chief Medical Officer

Der Neurologe ist damit auch Mitglied der Geschäftsleitung der Reha-Gruppe.

image

Doppelte Rolle: Mediziner als Medien-Experten und Pharma-Partner

USZ-Professor Huldrych Günthard ist medial sehr präsent. Weniger bekannt ist, dass Pharma-Firmen ihm gern Forschungsgelder gewähren.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.