«Topleute in der Wirtschaft verdienen mehr»

Der neue Präsident der St. Galler Ärztegesellschaft, Jürg Lymann, diskutiert in einem Interview das neue Studienangebot in der Ostschweiz und die Gräben zwischen Spezialisten und Grundversorgern.

, 13. Mai 2016 um 08:58
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«Offen bleiben!»: Dies der Tipp, den Jürg Lymann heute Nachwuchsmedizinern geben würde: «Viele junge Mediziner reservieren schon während des Studiums zig Stellen und haben einen fixen Plan für ihre Fachausbildung. Hätte ich das so gemacht, wäre ich nie hier gelandet.»
Lymann ist Chefarzt der Frauenklinik am Spital Walenstadt und präsidiert seit dieser Woche die Ärztegesellschaft des Kantons St. Gallen. Zum Amtsantritt gab er dem «St. Galler Tagblatt» und der «Thurgauer Zeitung» ein grosses Interview (Paywall). 
Die oft fehlende Offenheit sei mit ein Grund, weshalb die Randregionen solch ein Versorgungsproblem haben – denn dadurch ziehen es die Studienabgänger vor, in den Zentren zu bleiben, die sie bereits kennen. «Wären die jungen Mediziner offener, würden sie eher mal in einer Randregion arbeiten. Sie würden sich vielleicht verlieben und dann auch dort bleiben.»

«St. Gallen braucht diesen Medical Master»

Ein wichtiges Thema des Interviews ist logischerweise die geplante Medizin-Ausbildung an der Universität St. Gallen. Und hier spielt das angetönte Phänomen eben auch hinein. Lymann: «Man weiss aus Untersuchungen, dass es in Regionen mit medizinischen Fakultäten viel mehr Hausärzte gibt und viel weniger ausländische Ärzte. Ich meine das keinesfalls wertend, ohne Ausländer würde unser Gesundheitssystem nicht funktionieren. Was ich damit sagen will: Wenn der Kanton St. Gallen bald selber Ärzte ausbildet, können wir das Problem teilweise entschärfen.»
Er werde sich darum bemühen, dass die klinische Ausbildung des «St. Galler Medizinstudiums» auch in den Regionen stattfindet, so der Chefarzt aus Walenstadt. Die Ärztegesellschaft stehe jedenfalls voll und ganz hinter dem Uni-Projekt: «St. Gallen braucht diesen Medical Master.»

Topleute in der Wirtschaft verdienen mehr

Befragt wurde der neue Verbandspräsident auch zu den Differenzen zwischen Haus- und Spezialärzten. «Wie lassen sich denn Jahreslöhne von 400 000 Franken für Spezialärzte rechtfertigen?», so eine Frage dazu. 
Lymann erinnert daran, dass ohnehin immer weniger Spezialärzte solche Einkommen erzielen – und dass andererseits Topleute in der Wirtschaft tendenziell mehr verdienen. «Dann stellt sich die Frage, ob die Arbeit und Kunst der Spezialärzte mehr wert ist als die Triage und die Arbeit des Hausarztes. Der Spezialist hat eine deutlich längere Weiterbildung.»
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