«Strohmann der Krankenkassen!»: Breitseite gegen Ignazio Cassis

Der welsche Publizist Jacques Pilet macht dem Tessiner Bundesratskandidaten das Amt bei Curafutura zum happigen Vorwurf.

, 9. Juli 2017 um 08:21
image
  • versicherer
  • politik
Der bekannte Publizist Jacques Pilet erhielt im «Sonntagsblick» Platz für einen klaren Auftritt: In einem ausführlichen Kommentar engagierte sich Pilet gegen die Wahl von Ignazio Cassis zum Bundesrat.
Der FDP-Fraktionschef aus dem Tessin gilt bekanntlich als Kronfavorit für die Nachfolge von Didier Burkhalter. Seine Hauptschwäche, laut Pilet: Er ist der «Kranken-Cassis» – nämlich allzu verbandelt mit den Kassen. «Es gilt, ihn von der Macht fernzuhalten», so das Fazit des welschen Autors.

Teilzeitjob für 180'000 Franken

«Cassis ist Arzt – aber kein Arzt wie alle anderen: Er ist in erster Linie der beste Freund der Krankenkassen. Cassis ist Chef des Branchenverbandes Curafutura. Ein Teilzeitjob, der ihm 180'000 Franken pro Jahr einbringt.»
Sollte es den Kassen jetzt gelingen, «ihren Mann in der Regierung zu platzieren, dann gute Nacht!» Denn gut möglich sei ja auch, dass Cassis Innenminister wird, schliesslich fühle sich der jetzige Gesundheitsminister Alain Berset von der Diplomatie angezogen und könnte ins Aussenministerium wechseln.

H+ geht, Curafutura nicht

«Es wäre ein Albtraum!», so Pilet. Zwar gehörten Beziehungen zu allen möglichen Gruppierungen zum Milizsystem, aber mit Cassis würde dieses Mass «eindeutig überschritten».
Nun muss allerdings beachtet werden, dass Pilet seit jeher quasi selber ein Lobbyist ist – nämlich ein Lobbyist für die Romandie. Erst kürzlich sagte er offen auf Radio SRF, dass er sich einen Welschen als Nachfolger von Didier Burkhalter wünscht: «Ich hoffe wirklich, dass dieser Sitz bei den Romands bleibt.»
Und so spricht sich Pilet keineswegs gleich entschlossen gegen H+-Präsidentin Isabelle Moret (VD) aus wie gegen Curafutura-Präsident Ignazio Cassis (TI), im Gegenteil: Er nennt Moret explizit als mögliche Alternative.

«Reine Heuchelei»

«Auf alle Fälle geht es darum, den Strohmann der Krankenkassen von der Macht fernzuhalten!» Denn Pilet sichtet in den Versicherern die Hauptschuldigen an der Kostenmisere des Schweizer Gesundheitswesens.
«Massgeblich schuld an diesen Monsterkosten sind die Krankenkassen: Es gibt viel zu viele von ihnen – nämlich 59 –, und das ist ein erheblicher Kostenfaktor. Vor allem aber haben die Kassen kein wirkliches Interesse, die Gesundheitskosten zu senken. Viel zu stark profitieren sie von den jährlichen Umsatzsteigerungen. Wohl geben sie sich immer besorgt und mahnen Ärzte wie Patienten zur Vernunft. Das aber ist reine Heuchelei.»

Geht's um die Einheitskasse?

Damit ist im grossen Ringier-Blatt gleich ein zweites welsches Thema lanciert – die Einheitskasse. Eine Idee, die in der Romandie bekanntlich fast so beliebt ist wie ein Bundesratssitz.
Die heutigen Krankenkassen kümmerten sich «keinen Deut um die Preise von Medikamenten, die hierzulande sehr viel teurer sind als anderswo. Auch ist es so, dass sie bestimmte teure Behandlungen anderen, vorteilhafteren vorziehen. Als es im Parlament darum ging, die Eröffnung neuer Arztpraxen zu drosseln – wer stellte sich als Erster dagegen? Ignazio Cassis. Das ganze System muss überprüft werden. Dazu gehören auch Massnahmen, die für die Krankenkassen unangenehm sind. Und ausgerechnet deren Söldner soll diese Massnahmen in Kraft setzen? Ein unerträglicher Gedanke.»
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

Ein Gruss aus der sozialistischen Planwirtschaft

Unklare Ziele, diffuse Verantwortung, aber viel Bürokratie: Der Qualitätsartikel im KVG ist ein fehlkonstruiertes Monster.

image

Assura gibt ihr Vorschuss-System auf

Die Krankenversicherung Assura bezahlt Arzt- und Apothekenrechnungen künftig direkt. Versicherte müssen das Geld nicht mehr vorschiessen.

image

Thomas Boyer und die vier Hauptprobleme im Gesundheitswesen

Der Chef der Groupe Mutuel prüft den Austritt aus dem Kassenverband Santésuisse.

image

«Professionelle Dolmetschdienste sind übertrieben»

Der Nationalrat will nichts wissen von einer einheitlichen Vergütungspflicht für Dolmetscherdienste im Gesundheitsbereich. Auch dank Digitalisierung und KI sei dies nicht nötig.

image

Pflegeheim: Welcher Wohnsitz gilt?

Der Nationalrat will, dass Bewohner eines Pflegeheims beim Heimeintritt wählen können, ob sie den Steuersitz verlegen oder den alten behalten können.

image

«Die Tarifpartnerschaft ist nicht ebenbürtig»

Der umstrittene Tarifeingriff in der Physiobranche ist noch nicht in Kraft. Lange will die Gesundheitsministerin aber nicht mehr warten.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.