Prostata-Krebs: Das sind die neusten Erkentnisse

Berner Forscher haben die Strahlungsdosen nach einer Prostataentfernung verglichen. Ob erhöhte Dosen die Krebs-Ausdehnung verhindern? Hier sind die Ergebnisse.

, 22. Juni 2021 um 14:25
image
Prostatakrebs ist mit Abstand die häufigste Krebsart bei Männern: Gemäss Statistik der Krebsliga Schweiz hat er eine Inzidenz von rund 6400 Neuerkrankungen pro Jahr; das macht fast einem Drittel aller Krebserkrankungen aus. Aufgrund der guten Heilungschancen und bei einer rechtzeitig gestellten Diagnose, rangiert der Prostatakrebs in Bezug auf die Todesfälle mit 14 Prozent jedoch nur an zweiter Stelle aller Krebstoten.
Jetzt präsentiert ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Inselspitals, des Universitätsspitals Bern und der Universität Bern seine neusten Ergebnisse. Im Rahmen der sogenannten SAKK 09/10-Studie haben die Forscher Strahlungsdosen nach einer Prostataentfernung verglichen. Sie kommen zum Schluss, dass erhöhte Dosen keine Vorteile bezüglich der Verhinderung einer erneuten Krebsausdehnung bringen. Hingegen seien sie mit deutlichen Mehrbelastungen der Patienten verbunden. Nachfolgend die Details:

«Konventionelle» versus «gesteigerte» Dosis

Je nach Tumorstadium ist die Entfernung der Prostata (radikale Prostatektomie) eine Option mit guten Heilungschancen. Trotzdem kann es nach einer Prostataentfernung zu einem erneuten Tumorwachstum kommen. Damit dieses überwacht werden kann, wird nach der Operation regelmässig ein Bluttest durchgeführt. 
Dabei werden die Biomarker für  das Tumorwachstum erhoben. Bei Hinweisen auf eine erneute Tumoraktivität erfolgt meist eine Bestrahlung des Orts, wo zuvor die Prostata gelegen hatte. Gegenstand der vorliegenden Studie war genau diese «Salvage Radiotherapy» (SRT), also das nochmalige Ziel der Heilung. Dabei verglichen wurden die Behandlung mit einer «konventionellen» gegenüber einer «gesteigerten» Dosis.

Höhere Strahlendosis ohne Vorteil

Ältere, retrospektive Studien hatten Hinweise darauf gegeben, dass eine «gesteigerte» Strahlendosis zu besseren Resultaten führen könnte. Professor Daniel Aebersold, Letztautor der Studie, hält fest: «Diese Annahme wurde mit der SAKK 09/10-Studie klar widerlegt. Zwei zentrale Ergebnisse liegen nun vor: Erstens bringt eine erhöhte Strahlendosis keinen Vorteil bezüglich einer erneuten Tumoraktivität innert fünf Jahren. Zweitens gibt es nach einer intensiveren Bestrahlung mehr Nebenwirkungen im Darmbereich».
image
Professor Daniel Aebersold, Direktor und Chefarzt, Universitätsklinik für Radio-Onkologie, Inselspital, Universitätsspital Bern. (Insel Gruppe)

Weniger Darmbeschwerden

Die SAKK 09/10-Studie schloss 350 Patienten ein. Je 175 wurden mit konventioneller (64 Gy) bzw. mit gesteigerter (70 Gy) Bestrahlungsdosis behandelt. Ziel der Studie war es, die Überlegenheit einer erhöhten Strahlendosis in Bezug auf «Freedom From Biochemical Progression» (FFBP), also dem Ausbleiben einer erneuten Aktivität des Tumors innert fünf Jahren nach der Operation, zu belegen.
Die Nachbestrahlung bei Patienten mit operiertem Prostatakrebs zielt darauf ab, den Tumor definitiv zu beseitigen und zugleich die Beschwerden für Patienten so klein wie möglich zu halten. Die SAKK 09/10-Studie sehen die Forscher als einen weiteren wichtiger Meilenstein an: Denn die Ergebnisse der Phase 3-Studie können nun unmittelbar in die Behandlungskonzepte der Kliniken einfliessen.
Professor Aebersold: «Dank der Wahl der konventionellen Dosis müssen die Patienten nur an 32 statt an 35 Tagen bestrahlt werden. Das sieht auf den ersten Blick nach wenig aus. Aber praktisch bedeutet es eine Reduktion von Darmbeschwerden um die Hälfte. Das sind wichtige Vorteile für Patienten.»

Investitionen in neue Bildgebungsverfahren

Fertig geforscht ist jedoch nicht: Eine der Herausforderungen der weiteren Forschung besteht darin, die Tumoraktivität zu lokalisieren. Deshalb investieren das Inselspital, das Unispital Bern, die Universität Bern und sitem-insel derzeit intensiv in neue Bildgebungsverfahren und in deren AI-gestützte Auswertung, informiert die Insel-Gruppe.
Hier geht es zur Original-Publikation.
image
Bei Hinweisen auf eine erneute Tumoraktivität nach einer erfolgten Prostataentfernung, wird meist eine Bestrahlung des Orts, wo zuvor die Prostata gelegen hatte, vorgenommen. Rote Linie: Zielvolumen für die Betrahlung. Gelbe Linie: Harnblase. Farbige Fläche (von Blau bis Orange): Abstufung der Bestrahlungsdosis (Bild: Insel Gruppe)
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Vier der fünf Unispitäler setzen sich jetzt Klimaziele

Die Universitätsspitäler haben beschlossen, sich der Energie und Klima-Initiative des Bundes anzuschliessen. Aber nicht alle machen mit.

image

Forscher benennen Wirkstoff nach Hollywood-Schauspieler

«Keanumycine» gilt als neues Mittel gegen Pilzkrankheiten. Es soll laut den Entdeckern eine ebenso «tödliche Wirkung» wie Keanu Reeves in seinen Action-Filmen haben.

image

Lässt sich der Blutzuckerspiegel bald mit einer Smartwach messen?

Schweizer Forschende haben eine Methode entwickelt, bei der sich mittels maschinellen Lernens und Smartwatch-Daten Unterzuckerungen erkennen lassen.

image

Die Spielsucht in der Schweiz hat sich verdoppelt – nun handeln die Kantone

Eine neue eGames-Studie zum Online-Geldspielverhalten in der Schweizer Bevölkerung zeigt besorgniserregende Zahlen. Jetzt schalten sich die Kantone ein.

image

Neue Studie zeigt: Wir leben länger und auch länger gesund

Schweizerinnen und Schweizer haben gesunde Lebensjahre dazugewonnen – Männer etwas mehr als Frauen. Das zeig eine Studie in «Swiss Medical Weekly».

image

Genfer Gesundheitspolitikerin hat den Lead bei der Tabakprävention

Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle ist die neue Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz. Sie will die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» strikt umsetzen.

Vom gleichen Autor

image

Beat Müller gibt seine Chef-Posten am Kantonsspital Aarau ab

Nach 15 Jahren Tätigkeit am KSA will Beat Müller seine Führungs- und Leitungsfunktionen abgeben und sich von seinen klinischen Tätigkeiten zurückziehen.

image

Cannabis: Jetzt brauchen Ärzte keine Ausnahmebewilligung mehr

Ärztinnen und Ärzte dürfen Arzneimittel mit erhöhtem THC-Gehalt neu ohne Ausnahmebewilligung verschreiben. Allerdings gibt es eine obligatorische Meldepflicht.

image

Das ist der neue Leitende Arzt der Chirurgischen Klinik in Zug

Das Zuger Kantonsspital verstärkt sein Team und hat dafür den Facharzt Philipp Meyer als neuen Leitenden Arzt der Chirurgischen Klinik gewählt.