Uni Basel: Auch offen abgegebene Placebos wirken

Bei manchen Beschwerden wirkt ein offen verabreichtes Placebo genauso gut wie ein Scheinmedikament, das als Täuschung abgegeben wird. Eine wichtige Rolle spielen Erklärungen.

, 28. September 2017 um 09:42
image
  • forschung
  • universität basel
  • placebo
Erstmals haben Forschende der Universität Basel und der Harvard Medical School die offene Placebo-Vergabe mit einer getäuschten verglichen. Dafür wurden 160 gesunden Probanden am Unterarm ansteigende Hitze mittels einer Wärmeplatte zugeführt.
Die Teilnehmer wurden gebeten, den Temperaturanstieg dann manuell zu stoppen, sobald sie die Hitze nicht mehr aushalten. Danach sollte der Schmerz mit einer Creme gelindert werden. Bei dem Versuch gab es drei Gruppen:
  • Ein Teil der Probanden wurde getäuscht: Ihnen wurde gesagt, dass sie eine Schmerzcreme mit dem Wirkstoff Lidocain erhalten, bei der es sich aber in Wirklichkeit um ein Placebo handelte.
  • Andere Teilnehmer erhielten eine Creme, die deutlich mit «Placebo» beschriftet war; sie wurden zusätzlich während einer Viertelstunde über den Placeboeffekt aufgeklärt. 
  • Eine dritte Gruppe erhielt eine offene Placebo-Creme, jedoch ohne weitere Erläuterungen dazu.

Entscheidend sind Information und Kommunikation 

Die Probanden der beiden ersten Gruppen berichteten von einer signifikanten Abnahme der Schmerzintensität und -unannehmlichkeit. «Die bisherige Annahme, dass Placebos nur wirken, wenn sie mittels Täuschung verabreicht werden, sollte neu überdacht werden», sagt Autorin Cosima Locher von der Fakultät für Psychologie der Universität Basel.
Wenn ausführliche Erläuterungen über den Placebo-Effekt fehlten – wie in der dritten Gruppe –, berichteten die Probanden von deutlich intensiverem und unangenehmerem Schmerz. Bei der Placebo-Vergabe entscheidend sind demnach die begleitenden Informationen und die Kommunikation, folgern die Psychologen. 
Cosima Locher, Antje Frey Nascimento, Irving Kirsch, Joe Kossowsky, Andrea Meyer, Jens Gaab: «Is the rationale more important than deception? A randomized controlled trial of open-label placebo analgesia», in: «Pain», September 2017.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ostschweizer Kispi und HSG: Gemeinsames Diabetes-Forschungsprojekt

Untersucht wird, wie sich Blutzuckerschwankungen auf die Nervengesundheit bei Kindern mit Diabetes Typ 1 auswirken - und welche Rolle Lebensstilfaktoren spielen.

image

Das «Time Magazine» ehrt noch einen Schweizer

Fidel Strub verlor seine rechte Gesichtshälfte an die Tropenkrankheit Noma. Seit Jahren kämpft er für deren Erforschung.

image

Insel-Chirurg mit dem Håkan Ahlman Award ausgezeichnet

Cédric Nesti wurde von der Europäischen Gesellschaft für Neuroendokrine Tumoren für eine Publikation über die Gefährlichkeit von Lymphknotenmetastasen.

image

Neues Prognosemodell weist auf Risiko für Opioidabhängigkeit hin

Unter der Leitung von Maria Wertli (KSB) und Ulrike Held (USZ) haben Forschende der ETH Zürich und der Helsana ein Modell zur Risikoeinschätzung einer Opioidabhängigkeit entwickelt.

image

Hirntumor-Risiko für Kinder: Entwarnung

Schuld könnten die kleinen Fallzahlen sein: Dass Kinder im Berner Seeland und im Zürcher Weinland mehr Hirntumore haben, ist wohl das Zufalls-Ergebnis einer Studie.

image

Seltene Krankheiten: «Oft spürt die Mutter, dass etwas nicht in Ordnung ist»

Wird dereinst das gesamte Genom des Neugeborenen routinemässig auf Krankheiten untersucht? In manchen Ländern wird das schon getestet, sagt Stoffwechselspezialist Matthias Baumgartner.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.