Online-Apotheken akzeptieren fast jedes Rezept – egal, wie plump es gefälscht ist

Von Viagra bis Hydrocortison: Beim Stichproben-Test eines deutschen Konsumenten-Portals wurde allerhand anstandslos versandt.

, 25. August 2016 um 06:21
image
  • medikamente
  • apotheken
Möchten Sie ein rezeptpflichtiges Medikament? Aber Sie haben kein Rezept? Dann gibt es, so scheint es, einen Weg: Man bestelle sich im Internet einen schönen Vordruck für einen Rezeptbock. Man bestelle dort zudem einen Stempel für eine erfundene Arztpraxis seiner Wahl, fülle alles handschriftlich aus – und dann reiche man das Ganze mal bei einer Online-Apotheke ein.
Und siehe da: Nach wenigen Tagen kommt das Mittel mit der Post.
So jedenfalls geschah es dem Team des deutschen Fachmediums «Testbericht.de». Mit plump gefälschten Rezepten bestellte die Redaktion 10 verschiedene rezeptpflichtige Medikamente: Viagra, Dolomagon, Deltaran, Losartan, Lorazepam, Vigil, Modafinil, Fluoxetin, Gabapentin und Hydrocortison.

«Die Verschreibungspflicht und die Zettelwirtschaft – 10 Online Apotheken im Test», in: «Testbericht.de», August 2016.

Wobei alles erfunden war: Name des Arztes, Name des Patienten, Versichertennummer. Als Zieladresse wurde einfach ein Paketshop eingegeben. Und bei einzelnen Test-Käufen trieben es die Journalisten noch bunter: Sie gaben für den Arzt und den Patienten kurzerhand auch dieselbe Adresse an.
Na und? Insgesamt 10 Online-Apotheken wurden getestet, und bei 8 Online-Apotheken erhielt «Testbericht.de» das Gewünschte anstandslos. Wobei drei dieser Apotheken sogar so zuvorkommend waren, die Medikamente auf Rechnung an die (gefälschte) Adresse zu senden. Nur bei 2 Apotheken wurde es schwierig: Vitalix24.com und Apomagic.de schöpften Verdacht.

Es wäre im Fall strafbar

Die anderen lieferten: Allarznei, Berlindaversandapotheke, DocMorris, Eurapon, Medipolis, Medpex, Pharmeo, Schyrenapo-shop.de.
Allerdings erinnert «Testbericht.de» an einen wichtigen Punkt, der bei uns ebenfalls gilt: Auch die Kunden würden sich natürlich strafbar machen, wenn sie Rezepte fälschen würden, um sich damit Medikamente zu besorgen.

Prüfung schwer möglich

Eine Prüfung sei bei den Abermillionen Papierrezepten jährlich in Deutschland kaum möglich, erklärten dann die betroffenen Online-Apotheken. «In einer Zeit, in der Rezeptformulare und Arztstempel anonym über das Internet bestellt werden können, muss man das Privatrezept in seiner jetzigen Form als verbesserungswürdig bezeichnen», sagte Bettina Kira Habicht, Inhaberin der EU-Berlinda Versandapotheke, gegenüber der Zeitung «Die Welt».
Das Problem, dass es keine einheitlichen offiziellen Verschreibungs-Formulare gibt (so wie bei den Privatrezepten in Deutschland), besteht in der Schweiz bekanntlich bei allen Rezepten.
Hattip: @pharmama 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Der Ticker

Schritte und Fortschritte im Gesundheitswesen

Spital Grabs: Knieersatz mit Roboter ++ USA: Abnehmspritze für Herz-Kreislauf-Risiken ++ Reha Tschugg mit neuer Privatstation ++ Reha Bellikon eröffnet Neubau ++ Neues Brustzentrum im Bernbiet ++ So sieht das neue Spital fürs Tessin aus ++

image

Krebsliga will keine Geheimpreise mehr bei Medikamenten

Ausgerechnet die Krebsliga ist dagegen: Der Bundesrat soll künftig keine vertraulichen Rabatte mehr mit der Pharmaindustrie vereinbaren.

image

29 von 30 Apotheken wollten teurere Medikamente verkaufen

Ein Test des «K-Tipps» gibt ein wenig schmeichelhaftes Bild ab: Nur eine Apotheke empfahl wunschgemäss auf Anhieb das billigste Medikament.

image

Apothekenriese Phoenix plant weitere Expansion in der Schweiz

Die Benu-Apothekengruppe hat soeben die 100. Filiale im Land eröffnet. Es sollen noch mehr werden.

image

Fencheltee im Visier von Swissmedic

Das Heilmittelinstitut rät Schwangeren, Säuglingen und Kindern unter 4 Jahren von einer Einnahme ab. Das in Fencheltee enthaltene Estragol könnte die Gesundheit schädigen.

image

Viele neue Krebs-Medikamente haben wenig Nutzen

Besonders enttäuschend erscheinen dabei die Wirkstoffe, die in Europa nach einem beschleunigten Verfahren zugelassen wurden.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.