Numerus clausus: Nationalrat will Praktika statt «Chrüzlitests»

Eine satte Mehrheit der Parlamentarier möchte, dass der Bundesrat Alternativen zum heutigen Aufnahmeverfahren fürs Medizinstudium erarbeitet.

, 15. Juni 2017 um 13:21
image
  • ausbildung
  • numerus clausus
  • studium
Der Nationalrat hat eine Motion von Ruth Humbel unterstützt, welche den bisherigen Aufnahmetest fürs Medizinstudium ersetzen will. Dabei fiel diese Unterstützung überraschend deutlich aus. Mit 134 zu 40 Stimmen beschloss die grosse Kammer, dass der Bundesrat beauftragt werden soll, mit den Kantonen eine Alternative zu prüfen und – so der Text der Motion – «ein Praktikum als Ersatz oder in Ergänzung zu Tests der intellektuellen Fähigkeiten einzuführen».
CVP-Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel hatte festgestellt, dass Fachkreise den von ihr so genannten «Chrüzlitest» zunehmend kritisieren. Der Numerus clausus sei primär eine Frage des Fleisses und des Übens, was nur bedingt etwas darüber aussage, ob sich jemand für den Arztberuf eignet. Und so habe sich um den Numerus-clausus-Test auch eine regelrechte Trainings-Industrie entwickelt.

Nötig: Rund 3'500 Praktikumsplätze

Der Bundesrat sprach sich gegen eine Änderung aus. Die hohe Studien-Erfolgsquote bestätige, dass die heutigen Tests präzise seien, argumentierte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann im Nationalrats-Saal. Und er warnte, dass die angestrebten Praktika aus mehreren Gründen problematisch sein könnten: «Es müssten rund 3500 Praktikumsplätze pro Jahr sichergestellt werden. Die Studierenden müssten aufwendig betreut werden, und die Praktika müssten validiert werden.» 
Kurz: Der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zur Entlastung des Pflegepersonals durch solche Studien-Interessenten. 
Der Nationalrat sah es entschieden anders. Allerdings: Entschieden ist damit auch noch nichts – jetzt liegt der Ball beim Ständerat. Stimmt aber die kleine Kammer ebenfalls zu, so muss der Bundesrat mit den Kantonen Alternativen zum heutigen Modell aufgleisen.

Hüst und hott

Die Regierung hatte ihrerseits bereits erste Schritte unternommen, um den heutigen Test-Zustand ebenfalls zu hinterfragen. Im November 2015 beauftragte der Bundesrat die Hochschulkonferenz mit einer Neubewertung.
Diese wiederum liess die Frage vom Wissenschafts- und Innovationsrat SWIR überprüfen – und machte hat seinen Bericht just letzte Woche öffentlich.
Allerdings befand das Gremium, dass grundsätzlich nichts geändert werden solle: Der SWIR stellte sich hinter den Eignungstest in der jetzigen Form, weil es damit möglich sei, «akademisch schwache Kandidierende von der Aufnahme eines Studiums abzuhalten, welches sie wahrscheinlich nicht abschliessen würden.»
Gerd Folkers, der Präsident des SWIR, sagte gegenüber Radio SRF: «Wir denken, dass es um die Beurteilung von Studierfähigkeit geht und nicht um eine Aussage, wer in 30 Jahren eine gute Ärztin oder ein guter Arzt wird.»

Zur Mitteilung auf Parlament.ch


Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Warum Medizinstudierende im Studium ihre Empathie verlieren

Im Laufe eines Studiums nimmt offenbar das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten ab. Dies zeigt eine neue Studie.

image

Note 3: Medizinstudentin forderte vor Gericht erneute Prüfung

Eine Medizinstudentin der Universität Zürich verlangte vor Bundesgericht vergeblich eine erneute Prüfung, nachdem sie zweimal eine ungenügende Note erhalten hatte.

image

Pflege: Anzahl Studienbeginner gerät ins Stocken

Im vergangenen Jahr ist die Anzahl der Ausbildungsbeginner bei den Pflegefachleuten an Höheren Fachschulen im Vergleich mit dem Vorjahr zurück gegangen.

image

Gesundheitsdirektor soll höhere Löhne versprochen haben

An einer Veranstaltung spricht der St.Galler Gesundheitsdirektor von höheren Ausbildungslöhnen. Doch gemäss Gesundheitsdepartement muss das erst noch diskutiert und verabschiedet werden.

image

Fast jeder vierte Arzt verspürt massiv Selbstzweifel

Die «Perfektionismus-Kultur» in der Medizin müsse verändert werden. Dieser Ansicht sind Wissenschaftler um einen Medizinprofessor der renommierten Stanford Universität.

image

Biomedical Engineering: Universität Basel und FHNW bündeln ihre Kräfte

Beide Institutionen bieten seit 2018 je einen Master in Biomedical Engineering an – eine Disziplin, die rasch wächst. Mit einem Schulterschluss sollen das Studium an Substanz gewinnen.

Vom gleichen Autor

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.

image

Wer will bei den Helios-Kliniken einsteigen?

Der deutsche Healthcare-Konzern Fresenius sucht offenbar Interessenten für den Privatspital-Riesen Helios.

image

Deutschland: Investment-Firmen schlucken hunderte Arztpraxen

Medizin wird zur Spielwiese für internationale Fonds-Gesellschaften. Ärzte fürchten, dass sie zu Zulieferern degradiert werden.