Mit den Temperaturen steigen auch die Spitalinfektionen

Im Sommer nimmt das Risiko für Wundinfektionen nach operativen Eingriffen markant zu. US-Wissenschaftler haben den Zusammenhang in einer grossen Untersuchung nachgewiesen und werfen die Frage nach dem Timing von Operationen auf.

, 6. Juni 2017 um 06:42
image
  • spital
  • infektiologie
  • chirurgie
Im Sommer, wenn die Temperaturen steigen, haben Patienten ein deutlich höheres Risiko einer postoperativen Wundinfektion als im Winter. Dies zeigt eine im Fachmagazin «Infection Control & Hospital Epidemiology» veröffentlichte Studie. Sie belegt den Zusammenhang zwischen warmem Wetter und den so genannten Surgical Site Infections (SSI) , Infektionen von Operationswunden.
Diese gehören zu den häufigsten Gründen von Rehospitalisationen, verlängerten Spitalaufenthalten sowie höherer Mortalität und führen damit auch zu steigenden Gesundheitskosten. 
Die Wissenschaftler der University of Iowa Hospitals and Clinics analysierten Daten von Spitalaustritten in den USA zwischen 1998 und 2011 und glichen sie mit den lokalen Temperaturen ab, die von der National Oceanic and Atmospheric Administration gemessen worden sind. Insgesamt wurden mehr als 55 Millionen Hospitalisierungen in über 2'500 Spitälern untersucht. 
Chris A. Anthony, Ryan A. Peterson, Linnea A. Polgreen, Philip M. Polgreen, Daniel K. Sewell: «The Seasonal Variability in Surgical Site Infections and the Association with Warmer Weather: A Population-Based Investigation» - in: «Infection Control & Hospital Epidemiology», Mai 2017

Höhepunkt im August

Ausgehend vom Monat Januar, erhöht sich das Risiko eines infektionsbedingten Spitalaufenthalts im Februar um 9 Prozent und erreicht im August mit plus 21 Prozent den Höhepunkt. Ab September nimmt das Risiko bis Dezember kontinuierlich ab, um dann im neuen Jahr wieder anzusteigen. 
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass mit jeder Zunahme der durchschnittlichen Monatstemperatur um 2,8 Grad Celsius das Risiko eines durch SSI verursachten Spitalaufenthalts um 2,1 Prozent steigt. Bei Temperaturen von über 32 Grad erhöht sich das Infektionsrisiko sogar um fast 29 Prozent. «Das SSI-Risiko ist in höchstem Mass saisonal und steht im Zusammenhang mit dem warmen Wetter», so das Fazit der Studie. 
Der Anteil des Wetters an der Saisonalität wird mit 35 Prozent beziffert. Für genauere Daten brauche aber noch mehr Untersuchungen. Es wird vermutet, dass die Temperaturen bei eingehenderen Analysen sogar noch eine grössere Rolle spielen könnten als die vorliegende Studie ergab. 

Ferienbedingte Personalwechsel

Über die Gründe für die Saisonalität gibt die Studie kaum Aufschluss. Als mögliche Ursache werden Infektionen der Haut und der Weichteile genannt, die vermehrt im Sommer auftreten. Auch sind die Bakterienbestände bei höheren Temperaturen in gewissen Körperregionen höher. 
Eine Erklärung könnte auch sein, dass die Luftfeuchtigkeit im Sommer höher ist, was Bakterien bekanntlich lieben. Nicht auszuschliessen ist auch, dass der in den Sommermonaten ferienbedingt häufigere Personalwechsel die Infektionen fördert. 

Timing von Operationen

Um den Zusammenhang zwischen Aussentemperaturen und SSI besser zu verstehen, braucht es laut dem Infektiologen Philip Polgreen weitere Untersuchungen. Falls sich die Befunde aber erhärten würden, sei die Zeit reif für die Diskussion über ein günstiges Timing von Operationen. So wird die Frage aufgeworfen, ob es nicht sinnvoll sein könnte, Operationen vermehrt in kühleren Jahreszeiten anzuberaumen, um die Infektionsrisiken zu hemmen.  

  • Zu den WHO-Richtlinien «Global guidelines on the prevention of surgical site infections» 

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Nicole Ritz neu im Vorstand der ESPID

Nicole Ritz, Chefärztin Pädiatrie am Luks, wurde in den Vorstands der European Society for Paediatric Infectious Diseases (ESPID) gewählt.

image

Sparprogramme reichen nicht: Das Spitaljahr im Check

Kooperationen, weniger Angebote, effizientere Abläufe, Schliessungen, Nullrunden bei den Löhnen: Die öffentlichen Akutspitäler haben viel getan, um die Finanznot zu bekämpfen. Fazit: So geht es trotzdem nicht weiter.

image

Spitäler 2025 und 2026: Bessere Margen – aber grosse Tarif-Fragezeichen

Die Finanzchefs der Schweizer Spitäler erwarten fürs Erste eine etwas bessere Rentabilität. Zugleich sorgt das neue Tarifsystem für Unsicherheit. Die Erwartungen reichen von Mehreinnahmen bis zu spürbaren Einbussen.

image

Die 10-Prozent-Illusion der Schweizer Spitäler

Eine Betriebsrendite von zehn Prozent galt lange als Überlebensregel für Akutspitäler. Womöglich ist dieser Richtwert inzwischen zu tief. Die Beratungsfirma PwC fordert mehr Effizienz – die Spitäler höhere Tarife.

image

Spitalhygiene: Geschlechtsneutrale WCs bergen ein Risiko

In schottischen Krankenhäusern wurden Damen-, Herren- und Unisex-Toiletten auf Keime geprüft. Heraus kamen drastische Unterschiede.

image

Eine Zusammenarbeit, vernetzt wie das Gefässsystem

Wie in den meisten anderen medizinischen Fachbereichen setzt das Spital Lachen auch in seinem Gefässzentrum auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sie garantiert den Patientinnen und Patienten eine professionelle und ganzheitliche Diagnostik, Behandlung und Nachbehandlung.

Vom gleichen Autor

image

Pflege: Zu wenig Zeit für Patienten, zu viele Überstunden

Eine Umfrage des Pflegeberufsverbands SBK legt Schwachpunkte im Pflegealltag offen, die auch Risiken für die Patientensicherheit bergen.

image

Spital Frutigen: Personeller Aderlass in der Gynäkologie

Gleich zwei leitende Gynäkologen verlassen nach kurzer Zeit das Spital.

image

Spitalfinanzierung erhält gute Noten

Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz der neuen Spitalfinanzierung. «Ein paar Schwachstellen» hat er dennoch ausgemacht.