Massive Vorwürfe gegen Orthopäden

Erneut sieht sich ein Wirbelsäulenoperateur mit schwerwiegenden Anschuldigungen konfrontiert.

, 14. Oktober 2019 um 09:08
image
Die Fälle sorgen weiterhin für Schlagzeilen: Zwei Schweizer Orthopäden haben mutmasslich wider besseren Wissens Bandscheibenprothesen aus Kunststoff  - Typ Cadisc-L -eingesetzt. Als Folge davon litten viele ihrer Patientinnen und Patienten unter teils massiven Komplikationen. Es laufen Strafuntersuchungen. Nun gerät ein weiterer Operateur in die Kritik.
Dies nicht zuletzt aufgrund der von ihm eingesetzten Implantaten aus Kunststoff. Das Modell Freedom des US-Unternehmens Axiomed ist typähnlich mit dem Cadisc-L. Beiden Implantaten gemein ist auch, dass sie in den USA keine Zulassung erhielten - anders in Europa und der Schweiz.

Mit slowakischem Professorentitel im Zürcher Seefeld

Der kritisierte Operateur, B.R.*, betreibt in Zürich im noblen Seefeldquartier eine Praxis und operiert als Belegarzt an der Privatklinik Pyramide. R. hat in Deutschland sein Staatsexamen gemacht und führt einen slowakischen Professorentitel. 
Die «NZZ am Sonntag» weiss von «einer Reihe von Patienten», denen es nach der Behandlung schlechter ging als zuvor. Auch wurden teilweise Notoperationen nötig, weil es nach den Eingriffen zu Infektionen kam. Andere der operierten Personen leiden aufgrund des Eingriffs unter massiven Dauerschmerzen. Doch R. wird nicht nur von seinen Patienten kritisiert. Auch Berufskollegen sparen nicht mit Vorwürfen.

«Inakzeptable Fehler»

Sie werfen R. unter anderem vor, Bandscheibenprothesen auch dann zu implantieren, wenn dies nicht angezeigt sei. So habe R. selbst in versteifte und eigentlich ausbehandelte Wirbelsäulensegmente Prothesen eingesetzt, sagt Martin Bauer, der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für spinale Chirurgie, gegenüber der NZZaS. Viele Kollegen hätten schon Problemfälle von R. nachbehandeln müssen.
Einer der Nachbehandler war Wirbelsäulenchirurge Hans-Jörg Leu von der Klinik Hirslanden. Die Arbeit seines Kollegen R. nennt Leu im Artikel einen «unter keinem Titel akzeptablen Fehler». In dem von ihm nachbehandelten Fall sei mit einer Prothesen schlicht kein Behandlungserfolg zu erzielen. R. sei grundsätzlich einer von ganz wenigen Operateuren, die Prothesen als Mittel der Wahl anpriesen und einsetzten.
Christian Gerber wiederum, der sich als Operateur am Universitätsklinik Balgrist einen Namen gemacht hat, leitete vor  Jahren Informationen an die zürcherische Gesundheitsdirektion weiter, mit denen er R. die Eignung für seine Tätigkeit absprach. Dennoch erhielt der aus Deutschland stammende R. 2010 die Berufsausübungsbewilligung.

Weitere massive Vorwürfe

R. ist weiter auch wegen dem Vorwurf in Misskredit gefallen, er stelle überrissenen Honorarforderungen. Die NZZaS zitiert einen Patienten, der das Konsultationsgespräch bei R. als eine Verkaufsshow bezeichnet. Der Arzt habe ihm zuletzt vorgeschlagen, die Operation in Deutschland vorzunehmen. Preis: 70'000 Franken, verhandelbar. Der Patient habe daraufhin den Arzt gewechselt.
Die Fachgesellschaft Swiss Or­thopaedics hat R. wegen seinen Honoraren in diesem Jahr den sogenannten Zitronenpreis verliehen. Die Fachgesellschaft verleiht diesen Schmähpreis jährlich an Berufskollegen, die sich «nicht standeskonform oder unkollegial» verhielten. R. selbst ist nicht Mitglied der Fachgesellschaft. 2011 hat er sich gemäss der NZZaS um eine Mitgliedschaft beworben -  die notwendigen Dokumente gemäss der Geschäftsführerin im Anschluss aber nie eingereicht.

Arzt und Klinik weisen Vorwürfe zurück

Gegenüber der «NZZ am Sonntag» sagt die Klinik Pyramide, sie habe keine Kenntnisse von Komplikationen bei Operationen von R. Auch der Chirurg selbst weisst die Vorwürfe zurück. Nachoperationen könnten aus verschiedenen Gründen notwendig sein und gehörten zu den typischen Komplikationen jeder Operation, wird er zitiert. Er kläre zudem alle seine Patienten über Chancen und Risiken auf.
Auf seiner Webseite wirbt R. derweil weiter mit dem Slogan: «Die Bandscheibenprothese- Eine [sic] Erfolgsgeschichte».

* Name der Redaktion bekannt.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ärzte in der Krise: Immer mehr suchen Unterstützung

Zu viel Arbeit, Burn-Out, Angst, Selbstzweifel und Depression: Das sind die fünf Hauptgründe für Ärzte und Ärztinnen, sich Hilfe bei der Remed-Hotline zu holen.

image

Berner Zeitungen verletzten Privatsphäre einer Ärztin

Ein Artikel in den Berner Medien enthielt zu viele Details über eine verurteilte Ärztin. Der Pressrat gab deshalb den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) recht.

image

EPD: Verschnaufpause für Ärztinnen und Ärzte

Die Anschlusspflicht für Ärztinnen und Ärzte ans EPD soll erst mit der grossen Revision eingeführt werden.

image

USA: Milliardärin befreit Medizinstudenten von Studiengebühren

Am Albert Einstein College of Medicine in New York lernen die Medizinstudenten ab sofort gratis. Dank einer Milliardenspende.

image

Der IV fehlen die Ärzte – weil niemand dort arbeiten will

Schlechtes Image, andere Kultur: Deshalb hat die IV so grosse Mühe, genug Ärzte und Ärztinnen für die IV-Abklärungen zu finden.

image

Weltweit eines der ersten High-End-Dual-Source-CT-Systeme im Ensemble Hospitalier de la Côte in Morges

Welche Vorteile daraus für die regionale Bevölkerung entstehen, lesen Sie im nachfolgenden Interview mit Dr. Mikael de Rham, CEO vom Ensemble Hospitalier de la Côte (EHC).

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.