Kriminelle importieren deutlich mehr illegale Medikamente

2021 wurden 9'421 illegale Arzneimittelimporte sichergestellt. Das ist knapp ein Drittel mehr als noch ein Jahr zuvor. Laut Swissmedic bieten neu vor allem kriminelle polnische Zwischenhändler Waren aus Asien an.

, 21. Februar 2022 um 08:23
image
  • swissmedic
  • medikamente
  • sicherheit
  • apotheken
2021 konnten Swissmedic und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) 9'421 illegale Arzneimittelimporte sicherstellen. Zum Vergleich: 2020 waren es 6'733 Sendungen, oder 2'688 weniger. Bei 77 Prozent der Sendungen handelte es sich laut Swissmedic um Potenzmittel. Weitere sichergestellte Präparate waren rezeptpflichtige Arzneimittel, zum Beispiel Hormone oder Entzündungshemmer (17%) sowie Sendungen, die Schlaf- und Beruhigungsmittel enthielten (5%). 
393 Mal wurden Sendungen mit rein betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln von den Mitarbeitenden des BAZG direkt für die Strafverfolgung den zuständigen kantonalen Behörden angezeigt.
In Zusammenhang mit der Covidkrise wurden rund 150 Sendungen beschlagnahmt, die unerlaubte Mengen rezeptpflichtiger Arzneimittel enthielten, darunter Antiparasitika mit dem Wirkstoff Ivermectin, Arzneimittel mit Hydroxychloroquin oder Antibiotika aus Indien.
Neu ist, dass vor allem kriminelle polnische Zwischenhändler Waren aus Asien anbieten. Und: Jedes zweite Präparat enthält gemäss Swissmedic nicht das, was es verspricht.

Illegale Medikamente werden vernichtet

8'607 der Importe konnten in einem vereinfachten Verfahren abgewickelt werden, wobei die Ware danach vernichtet wurde. Daneben führte Swissmedic 183 ordentliche kostenpflichtige Verwaltungsmassnahme-Verfahren und 122 Strafverfahren (davon 113 durch Swissmedic und 9 vom BAZG geführt). In 166 Fällen mit «Mischsendungen» betäubungsmittelhaltiger und anderer Arzneimittel verfasste Swissmedic zuständigkeitshalber die Anzeigen an die Kantone.

Herkunftsländer: Polen neu vor asiatischen Ländern

Mit Polen führt zum ersten Mal ein europäischer Staat die Rangliste der Herkunftsländer an, noch vor asiatischen Ländern. In den beschlagnahmten Sendungen mit Potenzmitteln aus Polen befanden sich jedoch ausschliesslich in Indien hergestellte Erektionsförderer.
Swissmedic vermutet, dass neue illegale Vertriebskanäle aufgebaut wurden, nachdem die Behörden im Oktober 2020 in der international koordinierten Aktion «Hydra» den Transitweg via Singapur erfolgreich unterbunden hatten.

Online-Apotheken mit kriminellem Hintergrund

Immer wieder erwecken Online-Shops für Heilmittel bewusst den Eindruck, es handle sich um Angebote aus der Schweiz. Im Rahmen ihrer Verfahren stelle man häufig fest, dass die Betroffenen der Meinung gewesen seien, ihre Bestellung bei der Webseite einer Schweizer Apotheke getätigt zu haben, schreibt Swissmedic.
In Wirklichkeit werden die Schweizer Kunden jedoch gezielt getäuscht: Diese Webshops gaukeln mit Schweizer Flaggen sowie der Anzeige bekannter Schweizer Firmenlogos (zum Beispiel der Schweizerischen Post), durch Preisangaben in Schweizer Franken (CHF) und automatisch generierten und erfundenen Kundenfeedbacks aus der Schweiz vor, es handle sich um eine bewilligte Schweizer Versandapotheke.

Hände weg von Arzneimitteln aus dubiosen Quellen

Wer Arzneimittel über unkontrollierte Onlineangebote bestellt und einnimmt, gehe ein grosses Gesundheitsrisiko ein, so Swissmedic. «Medikamente aus dubiosen Quellen, hinter denen kriminelle Netzwerke stecken, werden oft ohne Schachtel und Packungsbeilage geliefert und sind die vermeintliche Kostenersparnis nicht wert», warnt die Behörde. Medikamente mit falschem Wirkstoffgehalt oder mit gesundheitsgefährdenden Bestandteilen seien schädlich. «Gehen Sie kein Risiko ein: Nur Präparate aus kontrollierten Vertriebskanälen sind sicher, wirksam und von guter Qualität», warnt Swissmedic zum Schluss. 

Internationale Zusammenarbeit

Bei der Verfolgung von Verstössen im Heilmittelbereich sind der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene entscheidend. So ist Swissmedic in ein weltweites Netzwerk von Arzneimittel-Kontrollbehörden eingebunden. Nebst den Europol-Aktionen «Shield II» und «Stop II» gegen den illegalen Onlinehandel mit Heilmitteln beteiligte sich Swissmedic auch 2021 zusammen mit dem BAZG und der Stiftung Swiss Sport Integrity (früher Antidoping Schweiz) an der von Interpol koordinierten Operation «Pangea».
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image
Der Ticker

Schritte und Fortschritte im Gesundheitswesen

Spital Grabs: Knieersatz mit Roboter ++ USA: Abnehmspritze für Herz-Kreislauf-Risiken ++ Reha Tschugg mit neuer Privatstation ++ Reha Bellikon eröffnet Neubau ++ Neues Brustzentrum im Bernbiet ++ So sieht das neue Spital fürs Tessin aus ++

image

Krebsliga will keine Geheimpreise mehr bei Medikamenten

Ausgerechnet die Krebsliga ist dagegen: Der Bundesrat soll künftig keine vertraulichen Rabatte mehr mit der Pharmaindustrie vereinbaren.

image

29 von 30 Apotheken wollten teurere Medikamente verkaufen

Ein Test des «K-Tipps» gibt ein wenig schmeichelhaftes Bild ab: Nur eine Apotheke empfahl wunschgemäss auf Anhieb das billigste Medikament.

image

Apothekenriese Phoenix plant weitere Expansion in der Schweiz

Die Benu-Apothekengruppe hat soeben die 100. Filiale im Land eröffnet. Es sollen noch mehr werden.

image

Fencheltee im Visier von Swissmedic

Das Heilmittelinstitut rät Schwangeren, Säuglingen und Kindern unter 4 Jahren von einer Einnahme ab. Das in Fencheltee enthaltene Estragol könnte die Gesundheit schädigen.

image

Viele neue Krebs-Medikamente haben wenig Nutzen

Besonders enttäuschend erscheinen dabei die Wirkstoffe, die in Europa nach einem beschleunigten Verfahren zugelassen wurden.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.